Mit Medienmitteilung vom 27. April 2023 gab die Schweizerische Bundesanwaltschaft (BA) die Verurteilung eines Unternehmens mittels Strafbefehls zur Zahlung von insgesamt CHF 81 Millionen im Zusammenhang mit Korruption bekannt.

Diese Verurteilung zeigt erneut auf, dass die Unternehmensstrafbarkeit nach Art. 102 StGB und die Bestechung fremder Amtsträger nach Art. 322septies StGB erhebliche Risiken für Unternehmen beinhalten und dass die Strafverfolgungsbehörden bei Organisationsmängeln und Compliance-Verstössen, welche Bestechungshandlungen ermöglichen bzw. fördern, Strafverfahren gegen Unternehmen führen.

EINLEITENDE BEMERKUNGEN

Unternehmen unterstehen nach Art. 102 Abs. 2 StGB der Strafbarkeit, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um (nebst anderen, in Art. 102 Abs. 2 StGB genannten Delikten) die Bestechung fremder Amtsträger gemäss Art. 322septies StGB zu verhindern.

Zusätzlich zur Verhängung einer Busse von bis zu CHF 5 Millionen (Art. 102 Abs. 1 StGB) sieht das Gesetz die Einziehung von Vermögenswerten vor, welche durch die zugrundeliegende Straftat erlangt worden sind (Art. 70 Abs. 1 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe (Art. 71 Abs. 1 StGB). Angesichts der fehlenden Obergrenze und des behördlichen Ermessensspielraums bei der Bestimmung des einziehbaren Betrags stellt die Einziehung gegenüber der Busse oftmals das grössere Risiko für betroffene Unternehmen dar. Im vorliegenden Fall betrug die Ersatzforderung beispielweise CHF 80 Millionen, während die Busse mit CHF 1 Million vergleichsweise gering ausfiel.

Die nötigen personellen und finanziellen Mittel und die erforderlichen organisatorischen Compliance-Massnahmen innerhalb des Unternehmens, hängen mitunter von der Grösse, der Struktur, dem Geschäftsumfeld, sowie den Ländern und Märkten, in welchen das Unternehmen tätig ist, ab. Unternehmen müssen ihr Risikomanagement bzw. ihre Compliance-Struktur basierend auf vorhersehbare Risiken aufbauen und ihre Compliance-, Strafrechts- und Korruptionsrisiken proaktiv adressieren. Von sehr grosser Bedeutung ist hierbei die Implementierung einer Compliance-Kultur. Sogenannte „Paper Compliance“ genügt nicht

KERNAUSSAGEN DES STRAFBEFEHLS DER BA

Die SICPA SA bietet Sicherheitsfarben und -lösungen für die Herstellung von Banknoten und anderen Wertdokumenten an.

Im vorliegenden Fall anerkannte die SICPA SA, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hatte, um Bestechungshandlungen gegenüber fremden Amtsträgern zu verhindern. Gestützt auf Art. 102 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 322septies StGB verurteilte die BA das Unternehmen zu einer Busse in der Höhe von CHF 1 Million.

Darüber hinaus erkannte die BA gestützt auf Art. 71 Abs. 1 StGB auf eine Ersatzforderung im Umfang von CHF 80 Millionen, welche das Unternehmen zu bezahlen hat. Gegen einen ehemaligen Verkaufsleiter der SICPA SA wurde zudem eine bedingte Freiheitsstrafe von 170 Tagen wegen Bestechung fremder Amtsträger nach Art. 322septies StGB verhängt.

Im Rahmen des Strafverfahrens wurden organisatorische Mängel insbesondere in den Bereichen Corporate Governance, Risk Management und Compliance festgestellt. Diese organisatorischen Mängel haben es Angestellten des Unternehmens ermöglicht, im Zusammenhang mit Geschäften in Brasilien, Kolumbien und Venezuela fremde Amtsträger zu bestechen.

AUSGEWÄHLTE FRÜHERE VERURTEILUNGEN BETREFFEND ANDERE UNTERNEHMEN

Bereits im Jahr 2011 hatte die BA die Alstom Network Schweiz AG auf der Grundlage von Art. 102 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 322septies StGB verurteilt und dem Unternehmen eine Busse von CHF 2.5 Millionen sowie eine Ersatzforderung von CHF 36.4 Millionen auferlegt. Im Rahmen des Verfahrens hatte die BA damals festgestellt, dass der Konzern zwar grundsätzlich ein taugliches Compliance Regelwerk eingeführt hatte, seine eigenen Regelungen jedoch nicht mit der notwendigen Hartnäckigkeit durchgesetzt hatte, weshalb Bestechungshandlungen in Lettland, Tunesien und Malaysia nicht verhindert worden sind. Entsprechend dieser Entscheidung setzt sich ein Unternehmen selbst dann dem Risiko einer strafrechtlichen Verurteilung aus, wenn es zwar über interne Compliance-Richtlinien verfügt, diese aber nicht hinreichend durchgesetzt werden.

Ein neueres Beispiel für das Fehlen jeglicher Vorsichtsmassnahmen zur Eindämmung von Korruptionsrisiken betrifft das Verfahren gegen das Unternehmen Gunvor (die Gunvor International BV durch ihre Genfer Niederlassung sowie die Gunvor AG). Im Jahre 2019 hat die BA Gunvor gestützt auf Art. 102 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 322septies StGB zu einer Zahlung von rund CHF 94 Millionen verurteilt (Busse von CHF 4 Millionen sowie Ersatzforderung von fast CHF 90 Millionen). Infolge schwerer Mängel in der internen Organisation hatte es Gunvor versäumt, die Bestechung von fremden Amtsträgern in der Republik Kongo und der Elfenbeinküste zwischen 2008 und 2011 zu verhindern.

Sodann hat die BA im Dezember 2022 eine Strafuntersuchung gegen die ABB Management Services AG abgeschlossen und das Unternehmen wegen Widerhandlung gegen Art. 102 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 322septies StGB zu einer Busse von CHF 4 Millionen verurteilt. Eine Ersatzforderung entfiel, da die ABB bereits im Jahr 2020 eine Ausgleichszahlung von USD 104 Millionen an Südafrika geleistet hat. In diesem Strafverfahren ist dem Unternehmen vorgeworfen worden, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um Bestechungszahlungen an fremde Amtsträger in Südafrika zu verhindern.

EMPFEHLUNGEN FÜR UNTERNEHMEN

Die vorerwähnten Entscheidungen verdeutlichen, dass Art. 102 StGB von den Strafverfolgungsbehörden ernst genommen wird, und dass Unternehmen mehr denn je gut beraten sind, ihre Strafrechts-, Compliance- sowie Korruptions- und Bestechungsrisiken zu identifizieren.

Insbesondere der Einsatz von auf Erfolgsbasis tätigen Agenten in Ländern mit hoher Korruption birgt ein erhebliches Strafverfolgungsrisiko für international tätige Unternehmen.

Dieses Risiko lässt sich nur durch adäquate und proaktive Massnahmen in der Compliance und der Implementierung einer Compliance-Kultur reduzieren.

Unternehmen, welche erhöhten Korruptionsrisiken ausgesetzt sind, haben organisatorische Vorkehren und Massnahmen zur Verringerung solcher Korruptionsrisiken zu treffen, zu implementieren und zu überwachen. Dies beinhaltet insbesondere auch:

  1. Die Implementierung eines Code of Conduct sowie von konkreten Compliance-, Anti-Korruptions- und Bestechungsrichtlinien, inklusive risikobasierter Drittparteien-Due Diligence und -Management (einschliesslich spezifischen Trainings der Mitarbeitenden);
  2. Die Implementierung eines Code of Conduct sowie von konkreten Compliance-, Anti-Korruptions- und Bestechungsrichtlinien, inklusive risikobasierter Drittparteien-Due Diligence und -Management (einschliesslich spezifischen Trainings der Mitarbeitenden);
  3. das Aufsetzen eines effektiven WhistleblowingFrameworks;
  4. eine kulturelle Transformation innerhalb des Unternehmens: Awareness und Akzeptanz für die Thematik bei den Mitarbeitenden sowie der entsprechende „tone from the top“ (die Relevanz dieses Punkts wird in der Praxis oft unterschätzt);
  5. eine konsequente Untersuchung von ComplianceVorfällen, insbesondere von potenziell strafrechtlich relevanten Vorgängen mit dem Definieren von „Lessons Learned“ sowie entsprechenden Anpassungen am bestehenden Compliance-Framework; sowie
  6. konsequente Sanktionierung von Verstössen innerhalb des Unternehmens, unabhängig von der hierarchischen Ebene.

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