Wie in vielen Bereichen, wurde auch im liechtensteinischen Gesellschaftsrecht die Covid-19-Pandemie zum Motor der Digitalisierung.

So wurde es etwa durch das Covid‐19‐VJBG möglich, Generalversammlungen ohne physische Anwesenheit der Teilnehmenden durchzuführen und die Beschlüsse unabhängig von der Anzahl der Mitglieder im Zirkulationsweg zu fassen.

Davor konnte die Generalversammlung einer liechtensteinischen Aktiengesellschaft ohne Börsequotierung entweder nur mit physischer Anwesenheit der Aktionäre erfolgen oder die Beschlüsse konnten in Form eines Zirkularbeschlusses ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer gefasst werden.

Letzteres setzt aber voraus, dass die Generalversammlung aus weniger als 20 Mitgliedern besteht und, dass die ausdrücklich formulierten Beschlüsse den Teilnehmenden mittels eingeschriebenen Briefes zugesandt werden sowie, dass kein Aktionär eine Versammlung und mündliche Beratung verlangt.

Eine virtuelle Generalversammlung (ohne physische Anwesenheit der Aktionäre) war bisher nur bei im EWR‐börsenkotierten Aktiengesellschaften zulässig, sofern dies in den Statuten vorgesehen war.

Nachdem es sich beim Covid‐19‐VJBG aber um ein bis zum 30. Juni 2022 zeitlich befristetes Gesetz handelt und eine virtuelle Generalversammlung sonst nur für im EWR börsenkotierte Aktiengesellschaften möglich war, werden ab 1. August 2022 die folgenden Änderungen eingeführt:

- Generelle Möglichkeit einer virtuellen Generalversammlung

Die Generalversammlung einschliesslich der Beschlussfassung kann unabhängig von der Anzahl der Aktionäre auch ohne physische Anwesenheit der Aktionäre und ohne Ort der Versammlung mit elektronischen Mitteln durchgeführt werden, sofern dies in den Statuten vorgesehen ist.

- Öffentliche Beurkundung

Eine öffentliche Beurkundung einer virtuellen Generalversammlung (etwa bei einer Statutenänderung) ist allerdings nur möglich, wenn die Urkundsperson am Ort der Versammlung anwesend ist. Neben dem Vorsitzenden und dem Protokollführer ist es daher ausreichend, wenn ein Notar vor Ort ist; die Aktionäre müssen nicht physisch anwesend sein.

Die Beurkundung einer Beschlussfassung an einer Versammlung ohne Ort der Versammlung ist daher (derzeit) nicht zulässig.

- Einberufung

Wesentlich ist, dass bei der Einberufung zur Generalversammlung bereits die genauen Modalitäten für die Teilnahme und Stimmabgabe enthalten sein müssen.

Dazu zählen insbesondere Informationen zu den erforderlichen technischen Mitteln, die zur Teilnahme und Stimmabgabe an der Versammlung erforderlich sind.

- Technische Probleme

Für den Fall, dass in einer virtuellen Generalversammlung technische Probleme auftreten und die Versammlung daher nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden kann, muss die Versammlung wiederholt werden.

Diejenigen Beschlüsse, die vor Auftritt der technischen Probleme gefasst wurden, bleiben jedoch gültig.

- Ausblick: Digitalisierungsrichtlinie

Bei den oben beschriebenen Bestimmungen zur Abhaltung von virtuellen Versammlungen handelt es sich allerdings nur um eine «Zwischenlösung».

Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1151 (sogenannte Digitalisierungsrichtlinie) werden umfangreiche und detaillierte Bestimmungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung im gesellschafts- und handelsregisterrechtlichen Bereich geschaffen.

Die Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie wird aus heutiger Sicht bis zum 1. Januar 2024 erfolgen.

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