Mängel an Bauwerken sind keine Seltenheit. Deshalb ist es wichtig, dass man in einem solchen Fall rechtzeitig reagiert und allfällige Ansprüche geltend macht. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt und welche Ansprüche können überhaupt entstehen?

Wann weist ein Werk Mängel auf?

Jede Abweichung vom Werkvertrag wird als Mangel angesehen. Die für die Härte des Mangels relevanten Kriterien sind die Erscheinungsform, das Ausmass oder die konkreten Eigenschaften aller Merkmale des entsprechenden Werks. Ein Mangel liegt grundsätzlich also dann vor, wenn eine Abweichung zwischen dem tatsächlichen und dem vertraglich vereinbarten Zustand eines Werks vorliegt oder eine vorausgesetzte Eigenschaft nicht vorhanden ist.

Dabei gilt es zu beachten, dass kleinere Mängel am Werk wie beispielsweise leichte Kratzer nicht als Werkmangel qualifiziert werden können, da solche die Gebrauchstauglichkeit eines Werkes weder einschränken noch aufheben. Grundlegend ist also, dass dem Werk eine vereinbarte Eigenschaft oder eine solche, die auch ohne Vereinbarung vorausgesetzt ist, fehlt (wie beispielsweise, dass eine Tür geöffnet und geschlossen werden kann). Ausserdem kann ein Werk mangelhaft sein, wenn es von gesetzlichen Vorschriften abweicht und deshalb nicht benützt werden darf.

Sind die Voraussetzungen für einen Werkmangel erfüllt, muss der Besteller beweisen, dass es sich tatsächlich um einen solchen handelt. Gemäss Art. 367 Abs. 1 OR muss er das Werk nach der Übergabe auf die Beschaffenheiten prüfen und die allfälligen Mängel sofort an den Unternehmer mitteilen.

Am besten ist es, wenn das direkt mit dem Unternehmer gemeinsam geschieht und evtl. sogar ein Abnahme- oder Mängelprotokoll erstellt wird. Gibt es an dem Werk versteckte Mängel, die erst später zum Vorschein kommen, müssen diese gemäss Art. 370 Abs. 3 ZGB sofort nach ihrer Entdeckung gerügt werden (BGE 118 II 142). Geschieht das nicht, gilt das Werk als genehmigt und alle Ansprüche aus Werkmängeln entfallen.

Was tun, wenn ein Werkmangel auftritt?

Dem Besteller stehen verschiedene Möglichkeiten zu, was er bei einem Mangel unternehmen kann:

Gemäss Art. 368 Abs. 1 ZGB darf der Besteller im Worst-Case-Szenario die Annahme verweigern, wenn ihm diese nicht zugemutet werden kann. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn das Werk an so erheblichen Mängeln leidet oder es auf andere Weise starke Abweichungen vom Vertrag aufweist, dass es für den Besteller unbrauchbar ist. Zahlungen, die schon getätigt wurden, können zurückverlangt und der Werkvertrag rückwirkend aufgelöst werden.

Die zweite Möglichkeit ist nach Art. 368 Abs. 2 ZGB bei kleineren Mängeln oder Abweichungen vom Vertrag, eine Preisreduktion zu verlangen. Es darf auch eine Nachbesserung des Werks ohne entsprechende Lohnzahlung dafür verlangt werden. Dem Unternehmer muss eine Frist zur Nachbesserung angesetzt werden. Werden die Mängel nicht innerhalb dieser Frist nachgebessert, kann eine Nachfrist gesetzt werden und danach auf die Rechte infolge Schuldnerverzugs von Art. 107 ff. OR übergegangen werden, wie beispielsweise der Rücktritt vom Vertrag. Das Bundesgericht hat zudem einen Anspruch bejaht, nachdem die verweigerte Nachbesserung dazu führt, dass diese durch einen Dritten auf Kosten des Unternehmers vorgenommen werden darf (BGE 107 II 50).

Eine Ausnahme davon bildet Art. 368 Abs. 3 ZGB. Demnach stehen dem Besteller bei Werken, die auf seinem Grund und Boden errichtet wurden und nur mit erheblichen Nachteilen entfernt werden können ausschliesslich die Nachbesserungsansprüche von Art. 368 Abs. 2 ZGB zu.

In allen drei Fällen kann der Besteller ausserdem Schadenersatz für Mangelfolgeschäden verlangen, falls den Unternehmer ein Verschulden trifft. Auch dafür müssen die Mängel gemäss Art. 371 OR rechtzeitig gerügt werden.

Merke: Liegt ein Werkvertrag vor, in dem etwas anderes vereinbart wurde, geht dieser dem Gesetz grundsätzlich vor und diese Regeln finden keine Anwendung.

Zugesicherte oder vereinbarte Eigenschaften fehlen

Das vertragliche Werk und sein Soll-Zustand ergeben sich durch die jeweiligen Eigenschaften, die vereinbart oder zugesichert wurden. Sie entstehen dadurch, dass der Unternehmer und der Besteller ihre übereinstimmenden Willenserklärungen abgeben, was ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen kann. Erklärt ein Unternehmer, eine bestimmte Eigenschaft in das Werk zu integrieren, nennt man das Zusicherung. Diese kann durch den Unternehmer selbst abgegeben oder vom Auftraggeber verlangt werden. Hat eine Zusicherung stattgefunden, ist diese vereinbart und dadurch auch verbindlich.

Ausserdem kann die Vereinbarung zwischen Unternehmer und Besteller auch negativ ausformuliert werden, also so, dass gewisse Eigenschaften am Werk ausgeschlossen werden. Es können auch einfach Minimalanforderungen definiert werden.

Vorausgesetzte Eigenschaften fehlen

Vorausgesetzte Eigenschaften dürfen von dem Besteller immer erwartet werden, ohne dass eine spezielle Vereinbarung vorliegen muss. Beispielsweise darf bei einem Wohnhaus immer erwartet werden, dass die Fenster dicht sind und die Wände gerade. Normalerweise versteht man unter den vorausgesetzten Eigenschaften die normale Beschaffenheit und die Nutzbarkeit eines Werks. Es stellt sich hier deshalb immer die Frage, was der vereinbarte und eigentliche Gebrauchszweck des Werks ist.

Fehlt es einem errichteten Werk an der Nutzbarkeit oder an der Normalbeschaffenheit (oder sogar an beidem) liegt grundsätzlich auch hier ein Werkmangel vor.

Wann liegt kein Werkmangel vor?

Insbesondere in folgenden Fällen liegt kein Werkmangel vor:

  • Nebenpflichten werden nicht erfüllt

Ein Werkmangel muss sich immer auf das Werk selber beziehen. Wurde bei den Bauarbeiten beispielsweise der Boden leicht beschädigt oder dreckig, stellt dass einen Begleitschaden dar und nicht einen Werkmangel. Damit ermittelt werden kann, ob gegen eine Haupt- oder eine Nebenpflicht verstossen wurde, muss der vertraglich festgelegte Umfang des Werks als Mass genommen werden.

  • Unvollendetes Werk

Wird ein Werk vom Unternehmer gar nicht erst fertiggestellt, ist die Rechtslage zunächst unklar und umstritten. Die herrschende Lehre ist der Meinung, dass ein solches Werk nicht abgeliefert und vom Besteller auch nicht abgenommen werden kann. Deshalb können auch keine Mängel geltend gemacht werden. Es besteht aber ein Erfüllungsanspruch gegenüber dem Besteller.

  • Das völlig andere Werk

Auch wenn dem Besteller nicht das Werk abgeliefert wird, das ihm geschuldet wäre, sondern ein völlig anderes Werk, handelt es sich nicht um einen Werkmangel. Hierbei handelt es sich nämlich nicht einmal mehr um ein Werk im Sinne des vereinbarten Werkvertrages. Das führt zu einer Falschlieferung und eben gerade nicht nur zu einer Schlechtleistung, wie es beim Werkmangel der Fall wäre.

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