1. Einleitung

Im vorliegenden Beitrag werden drei Bundesgerichtsentscheide thematisiert, welche während des Berichtszeitraums von Juli bis Dezember 2019 ergangen sind. Die Autorinnen behandeln ausgewählte Aspekte und Fragestellungen, welche das internationale Steuerrecht betreffen. Zur Diskussion stehen die pauschale Steueranrechnung im Zusammenhang mit einer Holdinggesellschaft (BGE 145 II 339, 2C_306/2017 vom 3. Juli 2019), die internationale Gewinnausscheidung eines Luftfahrtunternehmens (2C_151/2017, 2C_152/2017, 2C_178/2017 und 2C_179/2017 vom 16. Dezember 2019) sowie die Angemessenheit von konzerninternen Vergütungen eines Asset Managers (2C_1073/2018 und 2C_1089/2018 vom 20. Dezember 2019).

2. Pauschale Steueranrechnung im Zusammenhang mit einer Holdinggesellschaft

BGE 145 II 339 (BGer 2C_306/2017 vom 3. Juli 2019) i.S. A. Ltd. gegen Kantonales Steueramt Zürich betreffend pauschale Steueranrechnung, Fälligkeiten 2011.

a) Sachverhalt

Bei der A. Ltd. handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz im Kanton Zürich, welche für die direkte Bundessteuer ordentlich und für die streitbetroffene Steuerperiode 2011 auf kantonaler und kommunaler Ebene als Holdinggesellschaft besteuert wurde. Sie vereinnahmte im besagten Jahr Lizenzeinnahmen von total CHF 295'347'005.–, wobei davon CHF 96'374'721.– auf Länder entfielen, mit denen die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen (nachfolgend: DBA) abgeschlossen hat. Die Quellensteuerbelastung betrug 5 % bzw. 12.5 %. Die A. Ltd. stellte einen Antrag auf pauschale Steueranrechnung im Umfang von CHF 8'281'057.–. Das kantonale Steueramt Zürich gewährte eine Steueranrechnung lediglich im Umfang von CHF 3'755'804.– und berechnete das Total der nicht rückforderbaren ausländischen Steuern in Anwendung des damaligen Art. 12 Abs. 2 der Verordnung des Bundesrats über die pauschale Steueranrechnung vom 22. August 1967 (nachfolgend: aVpStA)1. Der Maximalbetrag nach Art. 8 Abs. 2 aVpStA wurde auf CHF 4'733'777.– berechnet.

Das Steuerrekursgericht Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab, worau􀆢in die A. Ltd. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten2 erhob.

b) Bundesgerichtliche Erwägungen

In materieller Hinsicht hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob sich der Umstand, dass ausländische Lizenzeinnahmen in der Schweiz aufgrund des Holdingstatus nur mit der direkten Bundessteuer besteuert werden, auf die pauschale Steueranrechnung auswirkt bzw. ob die anwendbaren DBA die vorgenommene Kürzung der nicht rückforderbaren ausländischen Steuern um zwei Drittel gestatten. In dogmatischer Hinsicht ging das Bundesgericht zunächst auf das interne Recht ein, bevor die Vereinbarkeit mit dem DBA untersucht wurde.3

Das Bundesgericht erwog, dass die Methodik der pauschalen Steueranrechnung nach internem Recht dergestalt ausgerichtet ist, dass die Entlastung für die von Bund, Kanton und Gemeinden erhobenen Steuern gesamthaft erfolgen soll, indem ein einheitlicher Betrag vergütet oder verrechnet wird. Bund, Kantone und Gemeinden müssen sich mithin also eine anteilsmässige Belastung gefallen lassen, wobei im Rahmen eines Verteilschlüssels ein Drittel zu Lasten des Bundes und zwei Drittel zu Lasten der Kantone vorgesehen ist. Der Anspruch auf pauschale Steueranrechnung reduziert sich demnach um zwei Drittel, wenn die quellensteuerbelasteten Erträge nur der Einkommens- bzw. Gewinnsteuer des Bundes unterliegen.4 Die Delegationsnorm in Art. 2 Abs. 1 lit. e Bundesgesetz über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung5 (DBAG) schliesst die in Art. 3 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2 aVpStA vorgenommene Kürzung nicht aus.

Zur Frage, ob die Kürzung des Entlastungsanspruchs mit den staatsvertraglichen Pflichten der Schweiz vereinbar ist, erwog das Bundesgericht zunächst, dass die einschlägigen DBA (mit teilweise leicht unterschiedlicher Formulierung) bestimmen, dass in der Schweiz ansässigen Personen, welche sockelsteuerbelastete Lizenzgebühren aus dem anderen Vertragsstaat beziehen, auf Antrag eine Entlastung gewährt wird. Für die Entlastung hat die Schweiz die Methode der pauschalen Ermässigung gewählt. Die hier gestellte Frage beantwortete das Bundesgericht mittels Auslegung, wobei die Auslegungsgrundsätze gemäss dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 (nachfolgend: VRK)6 auch für solche DBA gelten, deren Vertragsstaaten das VRK nicht ratifiziert haben. 7

Die Wendung «eine pauschale [...] Ermässigung der schweizerischen Steuer» war für das Bundesgericht insofern klar, als dass ermässigt nur werden kann, was auch tatsächlich erhoben wird. Die in den DBA enthaltene Definition der «Schweizerischen Steuer» baut auf der föderalen Struktur auf, weshalb es der Abkommenszusammenhang nahe legt, dass es der Schweiz nicht verboten ist, die Ermässigung nur anteilsmässig zu gewähren, wenn zwei der drei Gemeinwesen auf die Besteuerung der quellensteuerbelasteten Erträge verzichten. 8 Das Bundesgericht räumte ein, dass die Kürzung eine internationale juristische Doppelbesteuerung zu bewirken vermag. Gleichzeitig kam es aber zum Schluss, dass der Holdingstatus als wettbewerbsverzerrende Praxis international ohnehin kritisch hinterfragt wird. Solange die gesamte Steuerbelastung auf den quellensteuerbelasteten Lizenzgebühren die Steuerbelastung nicht übersteigt, welche bei Besteuerung durch alle drei Gemeinwesen resultiert hätte, läuft die internationale juristische Doppelbesteuerung dem übergelagerten Ziel der DBA nicht zuwider. Folglich kam das Bundesgericht auch im Rahmen der teleologischen Auslegung zum Schluss, dass der Kürzung des Entlastungsanspruchs keine gegenteilige völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz entgegensteht. 9

Footnotes

1 SR. 672.201.

2 Entscheide über die pauschale Steueranrechnung unterliegen gemäss Art. 18 aVpStA den Rechtsmitteln wie Entscheide über die Rückerstattung der Verrechnungssteuer; der Entscheid des kantonalen Rekursgerichts konnte daher vor Bundesgericht angefochten werden.

3 BGE 145 II 339 E. 2.3.

4 BGE 145 II 339 E. 3.2 ff.

5 SR 672.2.

6 SR 0.111.

7 BGE 145 II 339 E. 4.2 ff.

8 BGE 145 II 339 E. 4.5.

9 BGE 145 II 339 E. 4.7.2.2 ff.

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Originally published June 1, 2020.

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