Die Corona-Pandemie hat die zusammenarbeit zwischen Kulturinstitutionen und privaten Förderern vor neue Herausforderungen gestellt. Die diesjährigen Schliessungen und Teilschliessungen von Museen, Theatern, opernhäusern und Tonhallen bedeuten viel mehr als ein drastisch geringeres Publikumsaufkommen. wie reagieren die Verantwortlichen darauf ?

Das Du hat dazu ausgesuchte Kulturhäuser sowie eine ausgewiesene Philanthropie-Expertin, eine engagierte Mäzenin, einen Sponsor und einen geförderten Künstler befragt.

Wie in vielen anderen Bereichen auch stellt sich heraus, dass die oigitalisierung enorm an Bedeutung gewonnen hat, auch wenn Online-Übertragungen das Live-Erlebnis nicht ersetzen können. Trotzdem nutzen viele Einrichtungen den Ausnahmezustand, um sich zukunftsfähiger zu machen. So hat etwa das Mus6e de l'Elysde in Lausanne einen 5D-Digitalisierungsprozess der ausgestellten Werke entwickelt, das Locarno Film Festival hat auf ein hybrides Festival gesetzt, auf eine Kombination von klassischem Kinoevent und virtuellerPiazza, und das Schauspielhaus Zürich liess ein Theater entstehen, dessen Bühne überall dort war, wo es einen Internetzugang gab. |edes Haus fand seinen eigenen Umgang in dieser besonders für die Kultur schwierigen Zeit. Eines ist jedoch klar: Ohne die Hilfe von Mäzenen, Sponsoren, Gönnern und Abonnenten wäre das weitere Überleben vieler Einrichtungen kaum möglich.

Frou Hug, wqnn haben Sie erkannt, dass die Kunst in Ihrem Leben eine zentrale Rolle spielen würde?

Aufgewachsen bin ich in einem bürgerlichen und traditionell geprägten Elternhaus, es wurde zwar viel musiziert und über Musik gesprochen, nicht aber über Kunst. Kunst bestand vor allem aus grossen Tableaus des väterlicherseits verwandten Landschaftsmalers Albert J. Welti, die mir in ihrer düsteren Gegenständlichkeit unbehagen einfl össten. Ich hatte das grosse Bedürfnis, nicht mit den Bildwelten meiner Eltern zu leben, sondern eigene zu finden. Die erste Begegnung mit der Bild- und Sprachwelt abseits der tradierten Vorstellungen meines Elternhauses, was ein Kunstwerk ist und wie es sein sollte, waren Comics, allen voran Mickey Mouse. Hier öffnete sich mir eine völlig freie und fremdartige Bildwelt, die mich in ihrer Ausdruckskraft und Farbigkeit faszinierte' Die in den Comics sichtbare Verschränkung von Bild und Sprache hat mich seither nicht mehr losgelassen. Die logische Entwicklung dieses Ansatzes führte schliesslich in der Reduktion zur Conceptual Art und zur Minimal Art, die denn auch Schwerpunkte meiner Sammlungstätigkeit bilden. Kunst und die Lust auf Kunst sind für mich Lebenselixiere. Die intensive Beschäftigung mit Kunst und künstlerischen Prozessen ist aber auch eine geistige Bereicherung, denn Kunst ist letztlich eine Sprache. Ein Kommunikationsmittel, ein Werkzeug, mit dem sich Künstlerinnen und Künstler mit der heutigen welt, mit ihren Beflndlichkeiten, mit dem Zeitgeist unserer Epoche auseinandersetzen und das Zeitgeschehen reflektieren. Als ich dies sehen, spüren und erkennen konnte, habe ich entschieden, dass Kunst in meinem Leben eine Rolle spielen soll.

Wie sind Sie persönlich zur Philanthropie ge' kommen? Hatten Sie Vorbilder in der Familie?

Ich denke, dass jeder Mensch im Rahmen seiner Möglichkeiten und der durch sein Umfeld geprägten Haltung im weitesten Sinne philanthropisch wirkt. Dies fängt bei kleinen Handreichungen gegenüber dem hilfsbedürftigen Nachbarn an und endet bei zuwendungen an gemeinnützige Institutionen oder bei der Gründung einer eigenen Stiftung. Das wurde in meinem Elternhaus auch so vorgelebt. Hinzu kam - insbesondere seitens meiner Mutter - die Vergabe gelegentlicher Kompositionsaufträge an junge Musikschaffende. Die von mir geleistete Unterstützung gemeinnütziger Projekte besteht vor allem - und dies betrachte ich als eigenen gesellschaftlichen Beitrag - in der Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten. So stelle ich mich für Pro-bono-Mandate zur Verfügung, sei es für die unentgeltliche Rechtshilfe bei Institutionen, die sich für die Iugend oder für ältere Menschen einsetzen, oder im Rahmen von Vorstandsmandaten in Behindertenorganisationenund gemeinnützigen Stiftungen. Durch meine Liebe zur Kunst ist es naheliegend, dass ich mich finanziell vor allem für kulturelle Vorhaben einsetze. In der Umgebung von Zürich wohnhaft, fühle ich mich insbesondere dem Kunsthaus Zürich verbunden.

Die Notwendigkeit privater Engagements in Museen zeigt sich nur schon daran, dass der überwiegend grösste Sammlungsbestand von öffentlichen musealen Einrichtungen im deutschsprachigen Raum bekanntermassen aus ehemals privatem Besitz stammt. Jüngsten Erhebungen zufolge, die in Deutschland mit Bezug auf öffentliche Museen gemacht wurden, sind mindestens Z5 Prozent der objekte in Museen Schenkungen von Privaten und stiftungen sowie Dauerleihgaben; nur ein Teil von rund 25 Prozent stammt aus eigenen Mitteln des Museums. In der Schweiz ist es etwas weniger: Beim Kunsthaus Zürich kommen rund zwei Drittel der Bestände aus früherem privaten Besitz, das heisst, sie wurden entweder durch Schenkungen übernommen oder sind Dauerleihgaben. Hinzu kommen steigende Marktpreise, die es Museen heute immer schwerer machen, Werke zu erwerben. Öffentliche Museen sind daher dringend auf private Donatoren angewiesen.

Welche Rolle spielen Sie in den von Ihnen finanzierten Projekten? Wie erhalten Sie relevante Informationen zur Entwicklung der unterstützten Projekte?

Finanzielle Zuwendungen grösseren Ausmasses erfolgen oftmals zweckgebunden, so zum Beispiel für Endowments oder den Ankauf eines bestimmten Werkes oder auch für grössere Vorhaben wie den Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich, und werden in der Regel mit Auflagen verbunden. Donatoren haben häufig bereits bestimmte Vorstellungen, ob und wie sie genannt werden möchten. Zwischenzeitlich hat sich eine neue und ausgeprägtere Form der Zusammenarbeit mit einem Museum entwickelt: die sogenannte Public-Private Partnership. DiesesModell der zusammenarbeit orientiert sich dabei weniger an der Befriedigung mäzenatischer Bedürfnisse als vielmehr am Ergebnis der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Museum. Der Donator ist dabei in den formellen Entscheidungsprozess für die Realisierung des von ihm voll- oder teilfinanzierten Vorhabens eingebunden. Die künstlerische Gestaltung des unterirdischen Verbindungsganges zwischen dem Moser-Bau des Kunsthauses Zürich und dem Neubau von Chipperfield ist beispielsweise ein solches Projekt, an dem ich beteiligt bin' Entscheidender Knotenpunkt für eine erfolgreiche Partnerschaft ist weniger das Vorgehen nach unternehmerischen Prinzipien als vielmehr die Beziehung zum Museum. Zu einem solchen Miteinander gehören gegenseitige Transparenz und Vertrauen in die Kompetenz des Direktors, aber auch in die politische Unabhängigkeit des Museums sowie in das vorhandene Konzept, das das Museum auf der Basis seiner Strategie entwickelt hat' Eine strategische oder operativ aktive Rolle spielen zu wollen, wie es beispielsweise im Rahmen der sogenannten Venture-Philanthropie der Fall ist - hier trägt der Donator durch Übergabe von Know-how und anderen Leistungen zum Aufbau und zur Professionalisierung der organisation bei -, halte ich für kritisch, da sich das Museum seine strategische und kuratorische cestaltungsfreiheit bewahren muss und soll.

Sprechen wir über die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Kunstwelt: Wie schätzen Sie selbst die Situation aus der Perspektive des Mäzenatentums ein?

Die Pandemie stellt den Kunstmarkt wie auch die Kunstszene vor grosse Herausforderungen. Es fehlt das Publikum, Kunstmessen werden abgesagt, Galerienumsätze sind eingebrochen. Es liegt daher umso mehr in der Verantwortung von Sammlern und Mäzenen, Solidarität mit der Kunstszene zu zeigen. Durch ihre Verwurzelung in der Szene, ihre engen Kontakte zu jungen Künstlern, durch Ankäufe in Galerie, durch dieVergabe von Kommissionswerken an junge Künstler, durch ihr Engagement in lokalen Kunstinstitutionen und durch das Zurverfügungstellen ihrer Netzwerke können sie unterstützend zur Förderung und Weiterentwicklung kultureller Vorhaben beitragen. Die Pandemie hat auch zu interessanten Innovationen geführt. Multimediale performative Installationen werden wieder vermehrt inszeniert, sie rütteln auf, verunsichern und sind hochinteressant. Jüngst werden auch Kunsthappenings in verschiedenartiger digitaler Ausprägung angeboten: The night @ home, Galaabend der Kunsthalle Zürich, oderTogether Apart, Gala Evening zozo der. Schweizer Freunde des Israel-Museums, bei denen die Teilnehmer jeweils in kleinen Gruppen in privatem Rahmen zusammen sind, jedoch alle mit AudioVideo-Link verbunden werden, sind kreative Beispiele hierfür. Gerade dort kann auch die mäzenatische Welt wirken: offen sein, aus der Komfortzone treten, teilhaben, Neues riskieren, Visionen mitentwickeln, andere inspirieren und ermutigen.

Wie konn man ols Mäzenin die private Finanzierung einer Kunstinsf ituf ion nachhaltig mitg e - sts,lten?

Eine wichtige Funktion im Förderer-Mix der Kunstinstitutionen kommt den Unterstützern, Gönner- und Fördervereinen der öffentlichen Institutionen zu. Sie generieren jährliche Einnahmen, die im Rahmen ihrer statutarischen Zweckerfüllung für den Museumsbetrieb oder für den Ankaufsetat des Museums verwendet werden, so wie beispielsweise die I(unstfreunde Zürich, deren präsidentschaft mir übertragen wurde. Fördervereine sind erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, die Identi fikation der mitglieder mit der Institution aufzubauen und zu vertiefen, ihnen ein wei. teres Gesicht zu geben und vor allem auch zukünftige Generationen miteinzubeziehen und zu begeistern. In solchen Vorstands. gremien Sammler und Mäzene zu haben, ist wichtig: Sie prägen die gesellschaftliche Wertschätzung von Kunst massgeblich mit - sie sind quasi die für die Kunst.

was müsste die öffentliche Hand tun, um mehr Menschen zum Beispiel für das Kultur-Mikenqtentum zu motivieren?

Freiwillige Zuwendungen an die öffentliche Hand wie auch an steuerbefreite Stiftungen oder Institutionen sind in der Schweizbis zu maximal zwanzig Prozent des Reineinkommens steuerlich absetzbar. Darunter fallen nicht nur Geldleistungen, sondern auch Kunstgegenstände. Dies ist schon mal ein gewichtiger Vorteil. Sicherlich bestünden noch weitere Modelle, das Kulturmäzenatentum mit Steuervergünstigungen zu fördern. Was mir jedoch, abgesehen vom Pekuniären, als noch wichtiger erscheint, ist die wertschätzung. Mäzene wollen nicht nur bezahlen, sondern ernst genommen werden und Partner der Museen sein; sie stärken deren Kultur, ohne gleichzeitig in die Strategie und die Organisation eingreifen zu wollen. Was sie brauchen, ist Transparenz, Vertrauen und Anerkennung, mitunter auch mit entspre' chender öffentlicher Sichtbarkeit.

Welches ist Ihre Botschsft sn die mözenatische Welt, welches ist d.eren Rolle bei der Bewälti' gung der Krise?

Die Lebendigkeit der Auseinandersetzung mit Kunst muss auch in Zeiten der Krise ge' währleistet sein. Mäzene können als Energieträger im Freundeskreis wirken und andere zum Engagement anstiften, und sie können Plattformen schaffen, die einen interdisziplinären Austausch zwischen Künstlern und Kunstliebhabern und anderen interessierten Kreisen ermöglichen und fördern. Künstler brauchen Rezipienten, und wir brauchen die Kunst. Gerade bei der Bewältigung von exis' tenziellen Krisen hat die Kunst eine grosse Tradition. Denn Kunst kann dem Unfassbaren einen Rahmen geben.

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