Die mittels Notrecht vom Bundesrat verordnete Zwangsschliessung einer Vielzahl von Geschäftsbetrieben (Lockdown) hat bekanntlich eine anhaltende mietrechtliche Kontroverse über die Frage ausgelöst, ob und in welchem Umfang der Mietzins während des Lockdowns geschuldet ist. Nachdem sich viele Mieter und Vermieter einem Aufruf des Bundesrates folgend um einvernehmliche Lösungen bemüht haben, setzt das Parlament nun mittels einer gestern verabschiedeten Motion auf eine staatliche Lösung.

Bereits kurz nachdem der Bundesrat die Schliessung von verschiedenen Geschäftsbetrieben per Notrecht angeordnet hatte, entstand eine angeregte Diskussion darüber, wie die COVID-19-Pandemie und die damit zusammenhängenden Massnahmen des Bundesrates mietrechtlich zu behandeln sind. Um zumindest vorübergehend Druck aus der Debatte zu nehmen, entschied der Bundesrat mittels COVID-19-Verordnung Miete und Pacht, die Frist für Kündigung wegen Zahlungsverzugs von 30 auf 90 Tage (bzw. von 60 auf 120 Tage bei Pachtverhältnissen) zu verlängern und forderte Mieter und Vermieter dazu auf, die weiteren Folgen des Lockdowns einvernehmlich zu lösen (siehe auch COVID-19 Update vom 30. März 2020).

Im Anschluss bemühte sich eine Vielzahl von Mietern und Vermietern um eine konsensuale Regelung der Folgen des Lockdowns. Zudem verfolgten einzelne Kantone - namentlich die Kantone Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Neuenburg und Waadt - eigene Lösungansätze, die in der Regel eine mindestens teilweise Übernahme des Mietzinses durch den Kanton beinhalteten.

Das Parlament wendet sich nun gegen die vom Bundesrat verfolgte Strategie, von staatlichen Eingriffen in privatrechtliche Verhältnisse soweit möglich abzusehen, und beauftragt den Bundesrat, die Rechte und Pflichten der Mietparteien für die Zeit des Lockdowns zumindest teilweise festzulegen.

Die Motion sieht namentlich vor, dass Mieter, deren Mietzins maximal CHF 20'000 pro Monat und Objekt beträgt, für die Dauer der Zwangsschliessung nur 40 % des vertraglich vereinbarten Mietzinses schulden. Bei einem Mietzins zwischen CHF 15'000 und CHF 20'000 haben beide Parteien die Möglichkeit, mittels opting-out die vorerwähnte Regelung auszuschliessen, wobei die Modalitäten eines solchen opting-outs derzeit noch unklar sind. Zudem soll der Bundesrat einen Härtefallfonds für Vermieter mit einem Betrag von CHF 20 Mio. vorsehen.

Gleichzeitig sollen die bereits getroffenen einvernehmlichen Lösungen zwischen den Mietparteien nicht nachträglich in Frage gestellt werden. Der Bundesrat wird deshalb beauftragt, in seinem Gesetzesvorschlag sicherzustellen, dass zwischen Mietparteien bereits getroffene Vereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, wobei die Umsetzung dieses Anliegens wohl in einem gewissen Widerspruch zu den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts stehen dürfte.

Nicht in der Motion geregelt ist das Verhältnis zwischen der Regelung gemäss Motion und den bereits bestehenden kantonalen Massnahmen. Es könnte sich für Vermieter mit Liegenschaften in den betreffenden Kantonen insbesondere die Frage stellen, ob sie in Zukunft mit Rückforderungen von Seiten der Kantone konfrontiert werden, die gestützt auf die kantonale Regelung einen Teil des Mietzinses übernommen haben. Analoge Fragen könnten sich für Vermieter stellen, deren Mieter Entschädigungen von Versicherungen für den Betriebsausfall erhalten haben.

Schliesslich bleibt anzumerken, dass auch der Bundesrat erkannt hat, dass die mittels Motion geforderten Massnahmen einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatautonomie und in die Eigentumsrechte beinhalteten, was insbesondere die Frage aufwirft, ob die vom Parlament anbegehrte Regelung nicht eine entschädigungspflichtige materielle Enteignung darstellt.

Es wird sich zeigen, wie der Bundesrat die Motion umsetzen wird. Gemäss Aussagen des Bundesrates wird die Ausarbeitung einer Umsetzungsvorlage mindestens bis Mitte September dauern, über die das Parlament dann frühestens in der Dezembersession entscheiden wird.

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