Begriff des öffentlichen Auftrags im Vergaberecht: Bedeutung der Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen des Staates

1. Einleitung

In einem Rechtsstreit um die Vergabe des Bewirtschaftungsauftrags für das Hotel Métropole, welches der Stadt Genf (nachfolgend "Stadt") gehört, bestätigte das Bundesgericht in einem Leitentscheid vom 29. August 20191 die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Verwaltungsund Finanzvermögen des Staates. Es stellte sich die Frage, ob das betreffende Hotel zum Finanzvermögen gehört und ob die Vergabe des Auftrags über dessen Betrieb, Management und Geschäftsführung den Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts und des Binnenmarktgesetzes untersteht. Nach einem privaten Bieterverfahren (das nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht unterstand) vergab die Stadt den Management- und Geschäftsführungsauftrag. Ein unterlegener Anbieter brachte die Sache bis vor Bundesgericht mit der Begründung, dass bei der Vergabe die Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts hätten eingehalten werden müssen. Das Bundesgericht entschied zugunsten der Stadt.

2. Das Finanzvermögen untersteht nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht

Die verwaltungsrechtliche Abteilung des Genfer Gerichts hatte sich in seinem Urteil mit der Frage befasst, ob der Betrieb eines Hotels, welches zum Finanzvermögen der Stadt gehört, ein öffentliches Interesse verfolgen könne, was gegebenenfalls zur Anwendung der Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts führen würde.

In Übereinstimmung mit der Lehre und Rechtsprechung erinnerte die Vorinstanz daran, dass das Verwaltungsvermögen das Vermögen der öffentlichen Hand umfasst, das direkt der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient, z.B. Schulgebäude, Krankenhäuser, Bahnhöfe, Museen usw.

Dagegen dient das zum Finanzvermögen gehörende Vermögen der öffentlichen Hand nur indirekt der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere weil es aufgrund seines Kapitalwerts und seiner Rendite in der Lage ist, Einnahmen zu generieren oder verwertet zu werden.

Dementsprechend kam die Vorinstanz zum Schluss, dass der Bewirtschaftungsvertrag eines Hotels, das zum Finanzvermögen der Stadt gehört, nicht Teil der gesetzlich vorgesehenen öffentlichen Aufgaben ist, kein Mittel zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe darstellt und nicht zur Erreichung eines öffentlichen Interesses dient. Bei fehlender öffentlicher Aufgabe und fehlendem öffentlichen Interesse, wie im vorliegenden Fall, finde das öffentliche Beschaffungsrecht daher keine Anwendung. Zu diesem Schluss kam auch das Bundesgericht

Diese Abgrenzung hebt den Begriff der öffentlichen Aufgabe als notwendiges Element für die Anwendbarkeit des öffentlichen Beschaffungsrechts hervor. Diese Abgrenzung wiederspiegelt sich auch im Entwurf des neuen Artikels 8 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen2 , welcher den Begriff des öffentlichen Auftrages wie folgt definiert: "ein Vertrag, der zwischen Auftraggeberin und Anbieterin abgeschlossen wird und der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient."

3. Keine Konzessionserteilung im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM

Das Bundesgericht prüfte in seinem Entscheid, ob die Bewirtschaftung des Hotels als Verleihung einer Monopolkonzession im Sinne des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM)3 qualifiziert werden könnte.

Gemäss Art. 2 Abs. 7 BGBM hat "die Übertragung der Nutzung kantonaler und kommunaler Monopole auf Private [auch Konzession genannt] auf dem Weg der Ausschreibung zu erfolgen". Diese Bestimmung findet sowohl auf rechtliche als auch auf faktische Monopole Anwendung.

Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid fest, dass ein Vermögenswert der Stadt kein rechtliches oder faktisches Monopol darstelle, soweit dieser Vermögenswert nicht einem Zweck im öffentlichen Interesse zugeordnet sei, einen Kapitalwert habe, Erträge generieren könne und durch die Stadt jederzeit verwertet werden könne. Die Verwaltung von Finanzvermögen müsse gemäss Bundesgericht daher dem Privatrecht unterstehen.

4. Schlussfolgerungen

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Aufforderung der Stadt zur Einreichung von Angeboten (i) nicht in den Anwendungsbereich des öffentlichen Beschaffungsrechts fiel und (ii) keine Monopolkonzession an ein privates Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM darstellte, da die Beauftragung der Bewirtschaftung ein Hotel betraf, das zum Finanzvermögen gehört. Daher kann die Aufforderung zur Einreichung von Angeboten nicht Gegenstand einer anfechtbaren Verfügung sein. Dieser Entscheid ist für die öffentlichen Institutionen in der Schweiz wichtig, da nunmehr grundsätzlich feststeht, dass die Verwaltung von Finanzvermögen nicht den Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts untersteht.

Bemerkenswert ist ferner, dass das Bundesgericht im Urteil 2C_569/2018 vom 27. Mai 2019 in einer Sache betreffend die Ausschreibung der Geschäftsführung von zwei Genfer Theatern entschieden hat, dass Art. 2 Abs. 7 BGBM anwendbar ist, da die beiden Theater zum Verwaltungsvermögen der Stadt gehören und ein faktisches Monopol besteht. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung hat nicht nur zur Folge, dass die Behörde ein Verfahren abhalten muss, an welchem Interessierte teilnehmen können. Darüber hinaus muss die Konzession im Rahmen einer Verfügung erteilt werden, gegen die der Rechtsmittelweg offensteht.

Footnotes

1 BGE 145 II 252.

2 Vom Nationalrat am 21. Juni 2019 angenommener Entwurf.

3 SR 943.02.

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