Die Europäische Kommission hatte am 24. April 2018 gegen das Kabel- und Telekommunikationsunternehmen Altice wegen vorzeitiger Durchführung der Übernahme des portugiesischen Telekommunikationsunternehmens PT Portugal vor Anmeldung bei der Kommission und vor Genehmigung des Vorhabens eine Geldbuße in Höhe von € 124,5 Mio. verhängt. Die Entscheidung befasst sich im Kern mit dem sogenannten "Gun-Jumping" also der Missachtung des Vollzugsverbots im Hinblick auf Unternehmenszusammenschlüsse und weiterer damit einhergehender Verpflichtungen. Nun hat die Kommission die 123-seitige Entscheidung veröffentlicht mit Klarstellungen dazu, welche Maßnahmen im Vorfeld, also vor Freigabe durch die Kartellbehörde bzw. Closing untersagt sind. Diese betreffen die Bereiche: Rechte der Erwerberin im SPA im Hinblick auf die Führung des Target-Geschäfts (insb. zwischen Signing und Closing), tatsächliche Einflussnahme der Erwerberin in dieser Zeit und Informationsaustausch zwischen Erwerberin und Target.

Bußgeld gegen Altice

Im Februar 2015 meldete Altice seine Pläne zur Übernahme von PT Portugal bei der Kommission zur Genehmigung an. Zum Zeitpunkt der Anmeldung waren die portugiesischen Altice-Tochtergesellschaften Cabovisão und ONI Konkurrenten von PT Portugal auf dem Markt für Telekommunikationsdienste in Portugal. Das Vorhaben wurde von der Kommission vorbehaltlich der Veräußerung des damaligen Portugalgeschäfts von Altice am 20. April 2015 mit Auflagen genehmigt. Am 24. April 2018 erging ein Beschluss mit einem Bußgeld von € 124,5 Mio. gegen Altice. Die Kommission entschied, dass

  • einige Bestimmungen des Übernahmevertrags Altice das Recht zur Ausübung eines bestimmenden Einflusses über PT Portugal gaben, so beispielsweise Vetorechte gegen Entscheidungen im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit von PT Portugal;
  • Altice in bestimmten Fällen tatsächlich einen bestimmenden Einfluss über bestimmte Teile der Geschäftstätigkeit von PT Portugal ausübte, so beispielsweise durch Anweisungen an PT Portugal zur Durchführung einer Werbekampagne und durch den Austausch detaillierter sensibler Geschäftsinformationen über PT Portugal ohne jegliche Vertraulichkeitsvereinbarung.

Rechte der Erwerberin bzgl. der Geschäftsführung des Targets zwischen Signing und Closing

Die Kommission erkennt es grundsätzlich an, dass ein SPA Rechte der Erwerberin vorsieht, durch die der Wert des Unternehmens in der Zeit zwischen Signing und Closing bewahrt wird. Aber etwaige Pflichten müssen streng auf den Zweck des Werterhalts beschränkt werden. Ein darüber hinausgehender Einfluss auf das operative Geschäft ist nicht erlaubt. Hier hat die Kommission die folgenden Pflichten als zu weitgehend und damit als kartellrechtswidrig angesehen:

  • Das Recht der Erwerberin, die Besetzung des Managements zu beeinflussen. Es soll aber gestattet sein, den Verbleib von Personen abzusichern, soweit diese für den Wert des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind.
  • Das Recht der Erwerberin, die Preisstrategien des Targets zu beeinflussen, hier als Veto-Recht hinsichtlich aller Preis-Entscheidungen des Targets.
  • Das Recht der Erwerberin, die Möglichkeit des Targets zum Abschluss von Verträgen zu beeinflussen. Die Kommission erkennt zwar an, dass ein Einfluss zu einem gewissen Grad möglich sein dürfe. In der Regel dürfen jedoch nicht die Verträge im normalen Geschäftsgang betroffen sein, eine Wertschwelle darf nicht zu niedrig bemessen werden.

Tatsächliches Verhalten zwischen Signing und Closing

Nach den Feststellungen der Kommission war die Erwerberin bereits sehr intensiv in den Prozess des Targets zu einer Vielzahl kommerzieller Entscheidungen einbezogen zwischen Signing und Closing, auch in Situationen, in denen sie nach dem SPA dazu nicht verpflichtet war. Nach Auffassung der Kommission hatte die Erwerberin damit operativ die Kontrolle vor Freigabe durch die Kommission übernommen.

Informationsaustausch

Außerdem gab es einen intensiven Austausch zu strategischen und vertraulichen, geschäftlichen Informationen zwischen Erwerberin und Target und zwar zum Teil vor der Freigabe durch die Kommission und zum Teil bereits vor der Anmeldung des Vorhabens. Die Parteien waren zum dem Zeitpunkt aber noch Wettbewerber. Die Kommission bemerkt hierzu, dass es keine Vertraulichkeits-, Non-Disclosure oder Clean-Team Agreements während der Due-Diligence Phase gab und es nicht sicher gestellt wurde, dass Informationen nur auf need-to-know Basis und aggregiert weiter gegeben wurden.

Hinweis auf andere Verfahren

Der EuGH hatte mit Urteil vom 31. Mai 2018 (Rs. C-633/16 – Ernst & Young") über den Umfang des kartellrechtlichen Vollzugsverbots entschieden. Danach war die Kündigung eines Kooperationsvertrags zur Ermöglichung des Zusammenschlussvorhabens nicht als Gun-Jumping zu werten, obwohl diese im Zusammenhang mit dem Zusammenschlussvorhaben gestanden habe. Denn dadurch hatte die Erwerberin keinen Einfluss auf das Target erhalten.

Im Mai 2017 verhängte die Kommission eine Geldbuße von 110 Mio. € gegen Facebook, da das Unternehmen im Rahmen der Prüfung der Übernahme von WhatsApp durch Facebook, die die Kommission 2014 auf der Grundlage der EU-Fusionskontrollverordnung durchgeführt hatte, unrichtige bzw. irreführende Angaben gemacht hatte.

Im Juli 2017 übermittelte die Kommission drei separate Mitteilungen der Beschwerdepunkte an Merck und Sigma-Aldrich, General Electric und Canon wegen etwaiger Verstöße gegen die EU-Fusionskontrollvorschriften: jeweils eine Mitteilung erging an General Electric bzw. an Merck und Sigma-Aldrich wegen etwaiger unrichtiger bzw. irreführender Angaben, die dritte an Canon aufgrund der möglichen Durchführung eines Zusammenschlusses vor dessen Anmeldung und Genehmigung. Diese Prüfverfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Praxishinweis

Im Kern der hier besprochenen Entscheidung der Europäischen Kommission steht die Frage, welche Handlungen von an Fusionen beteiligten Unternehmen, insbesondere vor Freigabe bzw. Vollzug des Zusammenschlusses, rechtlich zulässig sind. In der Praxis stellt sich gerade bei der Regelung im SPA hinsichtlich der Rechte der Erwerberin vor Vollzug immer die Frage, wie weitgehend diese ausgestaltet werden dürfen. Hier sind die konkretisierenden Angaben der Kommission zu beachten. Insbesondere darf die Wertgrenze für Verträge nicht zu niedrig bemessen werden. Soll ein Wettbewerber erworben werden, sind zusätzlich die Vorgaben zum Informationsaustausch schon im Stadium der Due Diligence Prüfung zu beachten. Die Parteien sollten in dem Fall ein Clean-Team einsetzen.

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