Ein Impfstoff gegen Sars-CoV-2 (das "Corona-Virus") wird kommen - aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Kostentragung einer Impfung für Arbeitnehmer (m/w/d) im Betrieb und einer möglichen Impfflicht sind weitestgehend jetzt schon klar.

Müssen Arbeitgeber die Impfung (kostenfrei) anbieten?

Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser Corona-Impfungen durchführt oder bezahlt. Es ist allein Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, welche konkreten Schutzmaßnahmen er ergreifen möchte. Oft liegt es jedoch auch im Interesse des Arbeitgebers, dass sich Arbeitnehmer sich impfen lassen. Bietet der Arbeitgeber eine (kostenfreie) Impfung etwa über den Betriebsarzt an, so liegt darin eine Zuwendung, die er unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes grundsätzlichen allen Arbeitnehmer anbieten muss. Das Angebot nur auf wenige Arbeitnehmergruppen zu beschränken, wird nur im Ausnahmefall zulässig sein, etwa wenn eine Arbeitnehmergruppe größeren Infektionsgefahren ausgesetzt ist als andere Gruppen. Denkbar wäre etwa auch die Gewährung von "Impfprämien/-incentives" für die freiwillige Durchführung der Impfung, deren Verteilungsgrundsätze der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Zwischen dem 1. März und 31. Dezember 2020 sind solche "Corona-Sonderzahlungen" bis zu einem Betrag von 1.500,00 ? nach § 3 Nr. 11a EStG sogar steuer- und sozialversicherungsfrei.

Kann der Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer sich impfen lassen?

Eine Corona-Impfung wäre derzeit für Arbeitnehmer nicht verpflichtend.

Zunächst gibt es keine gesetzliche Impfpflicht. Eine solche gesetzliche Impfflicht für bestimmte Arbeitnehmergruppen gibt es in Deutschland zur Zeit nur im Falle der Masernkrankheit. Hier hat der Gesetzgeber jüngst durch das Masernschutzgesetz, dass am 1. März 2020 in Kraft getreten ist, die Impfung gegen Masern zur Pflichtimpfung für bestimmte Arbeitnehmergruppen erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Impfpflicht im Eilverfahren bestätigt (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20). § 20 Abs. 8 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht demnach vor, dass alle Arbeitnehmer, die in Gesundheitseinrichtungen (wie Krankenhäusern und Arztpraxen usw. - vgl. § 23 Abs. 3 IfSG) tätig sind oder in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten, der Impfpflichten gegen Masern unterliegen. Zu den Gemeinschaftseinrichtungen gehören Kitas, Horte, bestimmte Formen der Kindertagespflege oder Schulen (§ 33 Nr. 1 bis 3 IfSG). Ältere Arbeitnehmer/-innen, die vor dem 31. Dezember 1970 geboren sind, sind auch hier von der Impfpflicht ausgeschlossen. Von der Impfplicht betroffene Arbeitnehmer, die keinen Impfnachweis vorlegen, dürfen in den betroffenen Betrieben nicht tätig werden; das Gesundheitsamt wird in diesen Fällen ein sog. Tätigkeitsverbot aussprechen. Ein solches Tätigkeitsverbot kann im Regelfall auch eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer beharrlich weigert, sich impfen zu lassen. Eine "Zwangsimpfung" kommt jedoch auch hier nicht in Betracht.

Für eine gesetzliche Impfpflicht in Bezug auf die Corona-Impfung müsste daher zunächst das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass eine gesetzliche Impfpflicht seitens der Politik geplant ist. Wahrscheinlicher ist, dass es - wie bei anderen Infektionskrankheiten auch - bei der Freiwilligkeit der Impfung verbleibt.

Ebenso gibt es keine (arbeits-)vertragliche Impfpflicht. Das Direktionsrecht (§ 106 GewO) reicht für eine Impfanordnung des Arbeitgebers nicht aus; eine etwa im Arbeitsvertrag vereinbarte Impfpflicht dürfte, gemessen an den Anforderungen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, nicht wirksam und damit nicht durchsetzbar sein.

Zum Teil wird vertreten, Arbeitgeber könnten - abhängig von den möglichen Nebenwirkungen/Risiken einer Impfung einerseits und der Gefährlichkeit des Coronavirus andererseits (Letalitätsrate) - vom Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht verlangen, dass dieser sich impfen lasse (Stück, CCZ 2020, 205). Diese Auffassung ist kritisch zu sehen und bildet nach derzeitigem Stand keine Grundlage für Arbeitgeber, verpflichtende Impfungen anzuordnen: Der Arbeitnehmer ist zunächst nur dann zu einer Gesundheitsuntersuchung verpflichtet, wenn das Gesetz oder ein Tarifvertrag dies vorsieht (z.B. arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung gem. § 18 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG iVm. der ArbMedVV; § 32 I JArbSchG, für Beschäftigte im Lebensmittelgewerbe § 43 Abs. 1 IfSG und für die Beförderung von Fahrgästen z.B. § 48 Abs. 4 Nr. 3 FeV). Darüber hinaus besteht keine allgemeine Pflicht zur Gesundheitsuntersuchung als vertragliche Nebenpflicht (BAG vom 16. September 1997 – 9 AZR 538/96). Lediglich bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Untersuchung seines Gesundheitszustandes dulden (BAG vom 6. November 1997 2 AZR 801/96; BAG vom 27. September 2012 - 2 AZR 811/11). Das Interesse des Arbeitgebers an der Untersuchung ist dabei immer gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit abzuwägen. Dabei muss zunächst nach der Art des Eingriffs und dem Eingriffsziel differenziert werden; im Kern bedarf es immer einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Für Impfungen, die - anders als Gesundheitsprüfungen - per se nicht dazu geeignet sind eine auf einer akuten und/oder chronischen Erkrankung beruhende Arbeitsunfähigkeit zu begutachten und dem Arbeitgeber eine Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers zu ermöglichen, kann kein anderer Maßstab gelten. Die Interessenabwägung dürfte aufgrund des rein präventiven Charakters einer Impfung und der starken Eingriffsqualität (Nadeleinstich und Injektion eines Stoffes in den Körper des Arbeitnehmers sowie gegebenenfalls Nebenwirkungen der Impfung) hier regelmäßig zugunsten der körperlichen Unversehrtheit des Arbeitnehmers ausfallen. Dem grundsätzlich legitimen Zweck des Arbeitgebers, seine Belegschaft vor einer Masseninfektion zu schützen, wird zudem regelmäßig auch durch ein milderes Mittel, etwa die freiwillige Impfung größerer Teile der Belegschaft Rechnung getragen werden können.

Derzeit besteht somit keine Pflicht für Arbeitnehmer, sich gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen. Arbeitgeber können ihrer Belegschaft gleichwohl eine Impfung nahe legen und diese mit "Impfprämien" inzentiveren und - etwa über den betriebsärztlichen Dienst - kostenfrei anbieten. Verweigert ein Arbeitnehmer die (freiwillige) Impfung, kann die Verweigerung jedoch nicht Grundlage für arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie etwa eine Kündigung herhalten. Sollte sich die Gesetzeslage ändern, etwa weil bei Bereitstellung eines Impfstoffes Ende des Jahres 2020 eine gesetzliche Pflicht zur Impfung für bestimmte Arbeitnehmergruppen - analog zur Masernimpfung - in das Infektionsschutzgesetz eingeführt wird, wird dies anders zu beurteilen sein.

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