Vor fünf Jahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Grundsatzurteil (EuGH, Urteil vom 13.5.2014 – C-131/12) der Rechtsstellung der betroffenen Personen im Datenschutzrecht einen progressiven Schub vermittelt und das Löschungsrecht grundlegend erweitert. Das Urteil verpflichtet Google, Suchergebnisse zu löschen, wenn diese Persönlichkeitsrechte europäischer Bürger verletzen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) setzt die Entscheidung des EuGH in Art. 17 Abs. 2 DSGVO um.

Ende September 2019 hat der EuGH sein Grundsatzurteil präzisiert und weitere Fragen in Bezug auf das Recht auf Vergessenwerden geklärt – einmal zur geografischen Reichweite des Auslistungsanspruchs (EuGH, Urteil vom 24.09.2019 – C-507/17) und des Weiteren zur Verantwortung des Betreibers einer Suchmaschine im Umgang mit personenbezogenen Daten besonderer Kategorien (EuGH, Urteil vom 24.09.2019 – C-136/17).

In der ersten Sache hatte der Suchmaschinenbetreiber Google gegen die französische Datenschutzbehörde geklagt. Diese hatte zuvor ein Bußgeld gegen den Internet-Giganten verhängt, weil dieser personenbezogene Suchergebnisse nicht weltweit entfernt hatte.

Der EuGH vertritt eine andere Auffassung als die französische Datenschutzbehörde: Suchmaschinenbetreiber wie Google müssten personenbezogene Links aus ihrer Ergebnisliste nicht weltweit löschen. Die Ergebnisse müssten jedoch in allen europäischen Versionen der Suchmaschine ausgelistet werden. Weiterhin habe der Suchmaschinenbetreiber verlässliche Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass Internetnutzer von Mitgliedstaaten aus mit Hilfe einer Nicht-EU-Version der Suchmaschine auf die personenbezogenen, ausgelisteten Verlinkungen zugreifen.

Eine Konkretisierung der Maßnahmen nehmen die Luxemburger Richter nicht vor. Es liegt jedoch nahe, dass Geoblocking das probate Mittel darstellt. Hierbei handelt es sich um eine Technik, bei der der Standort eines Anwenders über seine IP-Adresse oder andere Methoden lokalisiert und das Online-Angebot entsprechend zugeordnet wird – ein Verfahren, das häufig im Bereich des Online-Shoppings oder zur Durchsetzung von Urheberrechten Anwendung findet.

Gänzlich abschließend ist die Entscheidung des EuGH an dieser Stelle nicht. Denn er schreibt zwar keine Löschung in allen Versionen der Suchmaschine vor, aber verbietet dies auch nicht. Kommt also die Justiz oder eine Behörde nach einer Abwägung zu dem Ergebnis, dass es aufgrund der Umstände eines mitgliedstaatlichen Sonderfalls geboten ist, dann kann der auf Europa begrenzte Löschungsanspruch auch globalisiert werden.

Der zweite Sachverhalt stammt ebenfalls aus Frankreich. Er basiert auf mehreren Fällen, in denen Betroffene Google verpflichten wollten, Verlinkungen zu brisanten Themen – etwa zu einer satirischen Fotomontage, zur Religionszugehörigkeit oder früheren Sexualvergehen – auf Webseiten Dritter aus den Suchergebnisse auszulisten, die im Anschluss an eine Suche anhand des Namens angezeigt werden. Das mit den Fällen befasste französische Gericht erbat vom EuGH eine Präzisierung der Rechte und Pflichten, die Suchmaschinenbetreiber in diesem Zusammenhang zu erfüllen haben.

Der EuGH hat hierauf eine grundsätzliche Auslistungspflicht von Suchmaschinenbetreibern in Bezug auf solche Links verneint, die zu Webseiten mit besonders sensiblen personenbezogenen Daten führen. Allerdings stellt der EuGH die Anbieter gleichzeitig vor die schwierige Aufgabe, bei dem Löschantrag eines Betroffenen zu prüfen, ob die Aufnahme des entsprechenden Links in die Liste der Suchergebnisse unbedingt erforderlich ist, um die Informationsfreiheit anderer Nutzer zu schützen.

Darüber hinaus präzisieren die Europäischen Richter die Anforderungen in Bezug auf Informationen zu einem Strafverfahren gegen eine Person. Sämtliche Umstände des Einzelfalls seien dabei zu berücksichtigen. Einem Antrag auf Auslistung sei folglich immer dann stattzugeben, wenn sich die Informationen auf einen früheren Verfahrensabschnitt beziehen und nicht mehr der aktuellen Situation entsprechen.

Der EuGH führt weiterhin aus, dass selbst wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, der Suchmaschinenbetreiber verpflichtet ist, den Antrag zum Anlass zu nehmen, seine Suchergebnisliste so auszugestalten, dass sich daraus für den Suchmaschinennutzer das Gesamtbild der aktuelle Rechtslage widerspiegelt. Der aktuelle Status des Gerichtsverfahrens muss somit an erster Stelle der Ergebnisliste stehen.

Es bleibt spannend, ob diese neuen Anforderungen des EuGH an das Recht auf Vergessenwerden in Zukunft auch auf andere Teile des Internets, beispielsweise auf Social-Media-Plattformen oder Blogs, übertragen werden. Verantwortliche sollten jedenfalls nicht aus Angst vor einer falschen Abwägungsentscheidung und einem damit verbundenen Bußgeld kategorisch dazu übergehen, allen Auslistungsanträgen nachzugeben. Dies würde eine Niederlage der Informationsfreiheit bedeuten. Betroffenen ist zu raten, ihre durch den EuGH gestärkten Rechte zu nutzen, denn effektiver Datenschutz erfordert auch Eigenverantwortung.

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