I. Einleitung

Viele Tätigkeiten müss1en heute nicht mehr zwingend in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausgeführt werden. Die Tätigkeit im Home Office bringt für alle beteiligten Vorteile mit sich: Optimierung der Anzahl Arbeitsplätze (Desk-Sharing), Entlastung des öffentlichen und privaten Verkehrs, vereinfachte Koordination von Beruf und Familie durch flexibles Arbeiten.

Der folgende Beitrag zeigt auf, welche Punkte aus arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht beim Home Office – gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten – zu beachten sind.

II. Arbeitsrecht

A. Einleitende Bemerkungen

Bei einer Tätigkeit im Home Office stellen sich zahlreiche Fragen: Liegt überhaupt ein Arbeitsverhältnis vor? Ist eine Vergütung des vom Arbeitnehmer benötigten Materials und der benutzten Arbeitsgeräte geschuldet? Wie kann sichergestellt werden, dass Geschäftsgeheimnisse auch im Home Office gewahrt werden? Wie wird Datenschutz bei Zugriff auf Systeme des Arbeitgebers von zu Hause aus gewährleistet? Wie kann gewährleistet werden, dass zwingende Bestimmungen des Arbeitsgesetzes auch bei einer Tätigkeit im Home Office eingehalten werden? Was muss bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen bedacht werden?

Auch die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt, so hat Lucrezia Meier-Schatz bereits am 14. März 2012 ein Postulat zu den rechtlichen Folgen der zunehmenden Flexibilisierung des Arbeitsplatzes eingereicht, welches vom Bundesrat zur Annahme beantragt worden ist. Der Postulatsbericht wurde für Ende 2014 in Aussicht gestellt und wird mit Spannung erwartet.1

Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Autoren erörtern zahlreiche Aspekte rund um das Home Office und grenzen dieses vom Auftrag und vom Werkvertrag ab. Neben Fragen der Entschädigung von Arbeitsgeräten und Arbeitsraum, des Datenschutzes und der Arbeitssicherheit stellen sich auch sozialversicherungsrechtliche Fragen, namentlich beim grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnis. Bei den steuerrechtlichen Aspekten kommt dem Begriff der Betriebsstätte, der mit Beispielen veranschaulicht wird, besondere Beachtung zu. Zi.

Toujours plus d'entreprises offrent à leurs employés la possibilité de travailler de chez eux. Les auteurs examinent de nombreux aspects liés au « home office » (télétravail) et délimitent celui-ci par rapport au contrat de mandat ou d'entreprise. Outre la question de l'indemnité pour l'espace et les outils de travail, celle de la protection des données et de la sécurité au travail, les auteurs abordent aussi les questions liées aux assurances sociales, en particulier en cas de rapports de travail transfrontaliers. Pour les aspects de droit fiscal, une attention particulière est accordée à la notion d'établissement stable, illustrée par des exemples. P.P.

Die folgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie sollen primär für die Thematik – gerade auch im grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnis – sensibilisieren.

B. Abgrenzungsfragen

Vorweg stellt sich die Frage, ob bei einer Tätigkeit im Home Office tatsächlich ein Arbeitsverhältnis2 (allenfalls auch ein Heimarbeitsvertrag im Sinne von Art. 351 OR)3, ein Auftragsverhältnis4 oder ein Werkvertrag vorliegt.

Das Bundesgericht qualifizierte die Tätigkeit als Zeichner und Gestalter von Ortsplänen, die über 20 Jahre von zu Hause aus für das gleiche Unternehmen ausgeführt worden ist und für die detaillierte Vorgaben bezüglich technischer Ausführung bestanden, nicht als Arbeitsvertrag bzw. Heimarbeitsvertrag, sondern als Auftrag, da die genügende hierarchische und organisatorische Unterstellung nicht bewiesen werden konnte und eine Tätigkeit für ein anderes Unternehmen möglich gewesen wäre.5

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Tätigkeit im Home Office im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.

C. Regelung der Vergütung für die Benutzung der privaten Arbeitsgeräte

Art. 327 OR sieht vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Arbeitsgeräten und Materialien auszustatten hat oder ihm eine angemessene Entschädigung leisten muss, wenn der Arbeitnehmer die Geräte oder das Material mit Einverständnis des Arbeitgebers selber zur Verfügung stellt. Aufgrund von Art. 327 Abs. 2 OR ist daher bei regelmässiger Tätigkeit im Home Office, die auch im Interesse des Arbeitgebers liegt, eine Entschädigung für die geschäftliche Nutzung der privaten Infrastruktur des Arbeitnehmers zu leisten. Da es sich bei Art. 327 OR jedoch nicht um eine zwingende Vorschrift handelt, können die Parteien im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung auch eine andere vertragliche Lösung wählen oder vorsehen, dass entsprechende Aufwendungen bereits mit dem Lohn als abgegolten gelten. Anders sieht Art. 5 HArG für die Heimarbeit i.S.v. Art. 351 OR zwingend vor, dass der Arbeitgeber dem Heimarbeitnehmer die erforderlichen Auslagen insbesondere für Arbeitsgeräte zu ersetzen hat.

Da es gerade im Niedriglohnbereich stossend sein kann, wenn vom Arbeitnehmer, der im Home Office arbeitet, erwartet wird, dass er seine private Infrastruktur zur Erledigung der Arbeit entschädigungslos in den Dienst des Arbeitgebers stellen muss, könnte in einem solchen Fall allenfalls in Analogie zu Art. 327b Abs. 2 OR, eine Entschädigung nach Massgabe des Gebrauchs der privaten Arbeitsgeräte und deren Unterhalt bestimmt werden. Wie praktikabel eine solche Lösung ist, sei dahingestellt. Allenfalls besteht hier tatsächlich gesetzgeberischer Handlungsbedarf.6

D. Geheimhaltungspflicht bei Datenbearbeitung

Der Arbeitnehmer untersteht nach Art. 321a Abs. 4 OR einer Geheimhaltungspflicht bezüglich Tatsachen, von denen er im Dienst des Arbeitgebers Kenntnis erhält. Diese Geheimhaltungspflicht ist bereits dann verletzt, wenn der Arbeitnehmer durch unsorgfältige Datenaufbewahrung solche Daten Dritten zugänglich macht.7 Der Arbeitnehmer, der im Home Office arbeitet, hat daher durch geeignete Vorkehrungen zu gewährleisten, dass Dritte in seiner Wohnung keine vertraulichen Daten des Arbeitgebers einsehen können. Gemäss Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Zürich erfüllt das blosse Abspeichern von Daten des Arbeitgebers auf dem eigenen (womöglich völlig ungesicherten) Computer den Tatbestand der Verletzung der Geheimhaltungspflicht jedoch noch nicht.8

Es empfiehlt sich daher für eine Tätigkeit im Home Office eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag oder einer Zusatzvereinbarung zu treffen, welche z.B. die Verwendung eigener Speichermedien für Daten der Arbeitgeberin regelt, den Umfang der Geheimhaltungspflicht genau definiert und zudem festhält, ob der Arbeitnehmer sensible Unterlagen des Arbeitgebers oder Kopien davon überhaupt nach Hause nehmen darf. Dabei kann es sinnvoll sein, für den Fall einer Zuwiderhandlung eine Konventionalstrafe zu vereinbaren. Sodann muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Datensicherheit durch sichere Datenübermittlung, Sicherheitssoftware, regelmässige Datensicherung und Sensibilisierung des Mitarbeiters gewährleistet ist.

E. Gesundheitsschutz – Führsorgepflicht des Arbeitgebers

Es ist unbestritten, dass der Arbeitgeber gestützt auf Art. 328 OR verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer einen einwandfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, der die Gesundheit nicht gefährdet. Es stellt sich daher die Frage, ob der Arbeitgeber beim Home Office verpflichtet ist zu kontrollieren, dass der Arbeitnehmer über geeignete Räumlichkeiten für die Ausübung seiner Tätigkeit verfügt.

Es muss wohl genügen, dass der Arbeitgeber auf allfällige Gesundheitsgefährdungen aufmerksam macht und dem Arbeitnehmer aufzeigt, wie er sich vor diesen Gefahren schützen kann. Selbstverständlich ist, dass auch bei einer Tätigkeit im Home Office die Vorschriften des Arbeits- und des Unfallversicherungsgesetzes und deren Ausführungsbestimmungen einzuhalten sind.

F. Grenzüberschreitendes Verhältnis

Wohnt ein Arbeitnehmer im Ausland und arbeitet er dort im Home Office für eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz oder wird ein Arbeitnehmer für einen schweizerischen Arbeitgeber ins Ausland entsandt und arbeitet dort im Home Office, so stellt sich die Frage des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts. Insbesondere ist zu klären, ob der Ar- beitsvertrag nach wie vor schweizerischem Recht untersteht oder ob allenfalls zwingende Bestimmungen der ausländischen Rechtsordnung zur Anwendung gelangen.

Zudem findet wohl meist auch eine Datenbearbeitung aus dem Ausland statt. In einem solchen Fall sieht das Datenschutzgesetz spezielle Sorgfaltspflichten des Arbeitgebers vor.

1. Gerichtsstand und Gerichtsstandsvereinbarungen

Dem Arbeitnehmer, der seine Arbeit gewöhnlich im Home Office an seinem ausländischen Wohnsitz verrichtet, steht dort ein grundsätzlich zwingender Gerichtsstand zu, sofern er dort den grössten Teil seiner Arbeitszeit verbringt (als Faustregel geht die Lehre von mehr als 60% der Arbeitszeit aus).9 Wird ein Arbeitnehmer bloss vorübergehend ins Ausland entsandt und arbeitet er dort im Home Office (z.B. als Auslandkorrespondent ohne eigenes Büro), so wird der gewöhnliche Arbeitsort nicht verändert. Bei langfristigen oder unbefristeten Auslandeinsätzen wird der Tätigkeitsschwerpunkt jedoch verlagert und es kann so zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Arbeitsorts kommen.10

Bei Klagen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer sieht Art. 20 Abs. 1 LugÜ einen ausschliesslichen Gerichtsstand am Wohnsitz des Arbeitnehmers vor.

In einem Arbeitsverhältnis sind Gerichtsstandsvereinbarungen nur dann zulässig, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit abgeschlossen werden oder wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, andere als die im LugÜ vorgesehenen Gerichte anzurufen.11 Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitsverträgen sind in LugÜ-Verhältnissen somit grundsätzlich unwirksam, es sei denn, sie stellen dem Arbeitnehmer weitere Gerichtsstände zur Verfügung.12

Footnotes

1 Vgl. Postulat Nr. 12.3166 von Meier-Schatz sowie Motion Nr. 14.3127 von Schmid-Federer.

2 Ein Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 319 OR besteht nur dann, wenn ein Subordinationsverhältnis gegeben ist, d.h., wenn sich der Arbeitnehmer rechtlich in persönlicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht in einem Unterordnungsverhältnis befindet (BGer, 4A_553/2008 vom 9. Februar 2009, E. 4.1).

3 Die Tätigkeit im Home Office kann, muss aber nicht, Heimarbeit im Sinne von Art. 351 OR bzw. des Heimarbeitsgesetzes (HArG) sein. In BGE 132 V 181 ff. hat das Bundesgericht festgehalten, dass unter Heimarbeit in erster Linie manuelle und maschinelle Verrichtungen zur Güterherstellung, -verarbeitung und -veredelung in Industrie und Gewerbe zu verstehen ist. Heimarbeit kann aber auch bei kaufmännischer oder technischer Tätigkeit vorliegen, so etwa beim Führen der Buchhaltung oder einer Krankenkassenagentur, bei Schreibarbeiten, Übersetzungen oder journalistischen und künstlerischen Verrichtungen. Liegt ein Heimarbeitsvertrag vor, so kommen ergänzend zu den speziellen Bestimmungen in Art. 351–354 OR auch die Bestimmungen des HArG zur Anwendung.

4 Hinsichtlich der Abgrenzung zum Arbeitsvertrag sind sowohl das Mass der Weisungsgebundenheit als auch die wirtschaftliche Abhängigkeit entscheidend (BGer, 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007, E. 4.3.1). Ein wesentliches Indiz für eine wirtschaftliche Abhängigkeit liegt vor, wenn eine Person ausschliesslich für ein Unternehmen tätig ist oder wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit ähnlicher Art vertraglich untersagt wird (BGer, 4C.176/2006 vom 25. Januar 2007, E. 4.6.1).

5 BGer, 4A_553/2008 vom 9. Februar 2009, E. 4. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph: Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – OR (7. A. 2012) Art. 351 N 2.

6 Siehe dazu die Motion Nr. 14.3127 von Schmid-Federer.

7 Manfred Rehbinder/Jean-Fritz Stöckli: Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VI/2; 2. Teilband, 1. Abschnitt (Art. 319–330b OR) (2010) Art. 321a N 13; Streiff/von Kaenel/Rudolph (Fn. 5) Art. 321a N 12.

8 AGer ZH JAR 1991 105 f.

9 Art. 19 Abs. 2 lit. a LugÜ. Die Ausführungen beschränken sich auf LugÜ Sachverhalte, da Art. 115 Abs. 1 IPRG nur dann zur Anwendung gelangen würde, wenn die beklagte Partei weder in der Schweiz noch in einem anderen LugÜ-Vertragsstaat Wohnsitz hat. Siehe dazu im Detail Barbara Meyer/Mladen Stojiljkovic, Christian Oetiker/Thomas Weibel (Hrsg.): Basler Kommentar zum Lugano-Übereinkommen (2011) Art. 19 N 11 ff. Als Referenzzeitraum zur Ermittlung, wo der Arbeitnehmer den grössten Teil seiner Arbeitszeit verbrachte, dient i.d.R. die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses, es sei denn die Parteien vereinbaren explizit einen neuen gewöhnlichen Arbeitsort.

10 Meyer/Stojiljkovic (Fn. 9) Art. 19 N 17.

11 Art. 21 LugÜ.

12 Meyer/Stojiljkovic (Fn. 9) Art. 21 N 5. Anders verhält es sich, wenn das IPRG anwendbar ist. In diesem Fall können die Parteien eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung im Arbeitsvertrag abschliessen, siehe dazu Anton K. Schnyder/Andrea Doss, Andreas Furrer/Daniel Girsber

Previously published in SJZ 111 (2015) Nr. 13

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