Nachdem die sog. Konzernverantwortungsinitiative in der Volksabstimmung vom letzten November am Ständemehr scheiterte, tritt nun per 1. Januar 2022 der indirekte Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe in Kraft. Nach Abschluss der Vernehmlassung veröffentlichte der Bundesrat am 3. Dezember 2021 zudem die entsprechende Ver-ordnung zur Konkretisierung der neuen Sorgfaltspflichten in den Bereichen Kinder-arbeit sowie Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten ("Konfliktmineralien"), die Bestandteil der Gesetzesänderungen sind. Sie finden erstmals auf das Geschäftsjahr 2023 Anwendung.

Die als indirekten Gegenvorschlag zur Konzern-verantwortungsinitiative verabschiedeten Ände-rungen des Obligationenrechts (OR) sollen Schweizer Unternehmen zu einem besseren Schutz von Mensch und Umwelt im In- und Aus-land verpflichten. Dies jedoch ohne die strengen Haftungsbestimmungen der Konzernverantwor-tungsinitiative. Die entsprechenden Gesetzesän-derungen sind bereits seit letztem Jahr bekannt und werden am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Im Kern geht es um:

  • neue Berichterstattungspflichten über "nicht-finanzielle Belange" insbesondere in den Berei-chen Umwelt, soziale Verantwortung und Men-schenrechte, welche an die bestehende EU-Richtlinie 2014/95 (Corporate Social Responsi-bility-Richtlinie) angelehnt sind; und
  • neue Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten bezüglich Konfliktmineralien und zur Vermeidung von Kinderarbeit über die gesamte Lieferkette.

Der Bundesrat hat nun am 3. Dezember 2021 die ausführende Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Me-tallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeiten (VSoTr) publiziert, welche die vorgenannten Sorgfaltspflichten und deren Anwendungsbe-reich konkretisiert.

Betroffene Unternehmen

Im Unterschied zur Berichterstattungspflicht über "nichtfinanzielle Belange" betreffen die neuen Sorgfaltspflichten im Bereich Konfliktmi-neralien und Kinderarbeit nicht nur bedeutende kotierte Gesellschaften und von der FINMA beaufsichtigte Unternehmen. Sie gelten im Grundsatz für jedes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, dessen Geschäftsfeld potentiell in Berührung mit Konfliktmineralien oder Kinderarbeit kommt, indem es:

  • Mineralien (Erze und Konzentrate) oder Me-talle, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthalten, aus Konflikt- oder Hochrisiko-gebieten einführt oder in der Schweiz bear-beitet, oder
  • Produkte oder Dienstleistungen anbietet, für die ein begründeter Verdacht besteht, dass sie von Kindern hergestellt oder erbracht wurden.

Konkretisierter Anwendungsbereich

Die neue Verordnung präzisiert den Anwen-dungsbereich der vorgenannten Sorgfaltspflich-ten.

Für den Bereich Konfliktminieralien gilt Fol-gendes:

  • Unterschreitet ein Unternehmen bestimmte Einfuhr- und Bearbeitungsmengen von Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltenden Mine-ralien und Metallen, ist es von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten betreffend Konfliktmineralien befreit. Die Grenzwerte sind in Anhang 1 zur Verordnung mit den entsprechenden Zolltarifnummern aufgeführt.
  • Was als Konflikt- und Hochrisikogebiet gel-ten soll, ist nun zwar in Art. 2. Abs. 1 lit. e der Verordnung definiert (gleicher Wortlaut wie in der EU-Verordnung 2017/821 über Konfliktmi-neralien). Allerdings lässt sich trotz der präzi-sierenden Definition nicht einfach bestimmen, welche Länder derzeit konkret als Konflikt- und Hochrisikogebiete eingestuft sind. Als Ausgangspunkt für die Einstufung soll gemäss Erläuterungsbericht die unverbindliche Liste der "Conflict-Affected and High Risk Areas" dienen (aufrufbar unter www.cahraslist.net).

Dementsprechend haben Unternehmen, welche die vorerwähnten Einfuhrgrenzwerte überschrei-ten, regelmässig zu prüfen, ob der Ursprungsort der Mineralien und Metalle derzeit als Konflikt- oder Hochrisikogebiet eingestuft ist. Liegt der Ursprungsort nicht in einem Konflikt- oder Hochrisikogebiet, ist dies begründet zu doku-mentieren und das Unternehmen ist von weiter-gehenden Sorgfalts- und Berichterstattungs-pflichten befreit. Ansonsten kommen die Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten gemäss Gesetz voll zur Anwendung.

Im Bereich der Kinderarbeit präzisiert die Ver-ordnung, unter welchen Voraussetzungen Unter-nehmen von den neuen Sorgfaltspflichten frei-gestellt sind. Potenziell betroffene Unternehmen haben dazu drei Prüfschritte zu durchlaufen:

  1. Schwellenwerte: Erreicht ein Unternehmer die KMU-Schwellenwerte nicht, ist es von weite-ren Abklärungen befreit. Die KMU-Schwellen-werte sind unterschritten, wenn das betroffene Unternehmen auf konsolidierter Basis zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren unterschreitet: Bi-lanzsumme von CHF 20 Millionen, Um-satzerlös von CHF 40 Millionen und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.
  2. Risikoeinstufung: Falls das Unternehmen zwei der drei KMU-Schwellenwerte erreicht, hat es zu prüfen, ob es als "Unternehmen mit gerin-gen Risiken im Bereich Kinderarbeit" gilt. Ein geringes Risiko liegt dann vor, wenn das Unternehmen in Ländern, deren "Due dili-gence response" von der UNICEF in ihrem "Children's Rights in the Workplace Index" als "Basic" eingestuft wird, selbst produziert bzw. aus jenen Ländern Produkte bezieht oder Dienstleistungen anbietet oder von dort be-zieht. Gilt das Unternehmen gemäss diesem Test als "Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit", ist es von weiteren Abklärungen befreit.
  3. Verdachtsprüfung: Sofern keine der vorer-wähnten Ausnahmen anwendbar ist, hat das Unternehmen zu prüfen, ob in Bezug auf ein bestimmtes Produkt oder eine konkrete Dienst-leistung ein begründeter Verdacht auf Kin-derarbeit besteht. Ergibt sich kein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit, ist das Unterneh-men von den Sorgfalts- und Berichterstattungs-pflichten befreit. Diese Erkenntnis muss klar und begründet dokumentiert werden.

Schliesslich enthält die Verordnung noch eine Gegenausnahme zu den vorerwähnten Ausnah-men: Bietet das Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen an, die offensichtlich unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden, untersteht das Unter-nehmen ungeachtet des Ergebnisses der oben erwähnten drei Prüfungsschritte den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten. Mit "offensicht-lich unter Kinderarbeit hergestellt oder erbracht" sind gemäss dem erläuternden Bericht zur Ver-ordnung "krasse Fälle" gemeint, "die ins Auge springen" und von denen das Unternehmen "sicheres Wissen" hat.

Äquivalente internationale Standards

Die Verordnung enthält in Anhang 2 eine Liste der als gleichwertig geltenden internationalen Regelwerke und zwar sowohl in Bezug auf Konfliktmineralien als auch Kinderarbeit. Hält ein Unternehmen das internationale Regelwerk vollständig ein, ist es von den neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten gemäss OR befreit.

Ausblick

Auch Unternehmen, welche die Anwendungsvo-raussetzungen für die neuen Sorgfaltspflichten per 1. Januar 2022 nicht erfüllen bzw. von einer Ausnahme profitieren, müssen die neuen Due diligence-Pflichten im Auge behalten. Die ent-scheidenden Parameter für die Anwendbarkeit der neuen Sorgfalts- und Berichterstattungs-pflichten sind dynamisch und passen sich lau-fend an, so etwa die Klassifizierung einer Region als Konflikt- oder Hochrisikogebiet bzw. deren Risikoeinstufung gemäss "Children's Rights in the Workplace Index" der UNICEF. Auch der-zeit nicht betroffene Schweizer Unternehmen werden folglich in regelmässigen Abständen überprüfen müssen, ob sie von den neuen Sorg-falts- und Berichterstattungspflichten noch frei-gestellt sind und sie müssen die entsprechenden Befunde mit Begründung dokumentieren. Ebenso ist bei der Eingehung von neuen Ge-schäftsbeziehungen oder sonstigen Erweiterun-gen der Geschäftstätigkeit jeweils erneut zu prüfen, ob die Selbsteinstufung noch den Tat-sachen entspricht.

Präzisierungen der Sorgfaltspflichten

Die Verordnung enthält weiter einige Präzisie-rungen zum konkreten Inhalt der Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Bereich Kon-fliktmineralien und Kinderarbeit. Im Zentrum steht insbesondere das gemäss Art. 964sexies Abs. 1 OR von betroffenen Unternehmen einzu-führende Managementsystem entlang der Lieferkette. Das Managementsystem hat insbesondere die zwei folgenden Elemente zu enthalten, deren konkreter Inhalt nun von der Verordnung ausformuliert wird:

  • Eine Lieferkettenpolitik für aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle und für Produkte oder Dienstleistun-gen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht; und
  • ein System der Rückverfolgbarkeit der Liefer-kette.

Das Managementsystem muss durch einen Risi-komanagementplan ergänzt werden, der die von dem Unternehmen angewandten Methoden beschreibt, um die Risiken schädlicher Auswir-kungen der Geschäftstätigkeit in der Lieferkette zu ermitteln, analysieren und gewichten. Auch diesbezüglich finden sich Präzisierungen in der Verordnung.

Inkrafttreten

Die neuen Sorgfalts- und Berichterstattungs-pflichten gemäss indirektem Gegenvorschlag und neuer Verordnung (VSoTr) werden auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Den betroffenen Unternehmen wird jedoch eine Übergangsfrist von einem Jahr gewährt, um sich auf die neuen Pflichten einzustellen, d.h., sie finden erstmals auf das Geschäftsjahr 2023 (bzw. das im Jahr 2023 beginnende Geschäftsjahr) Anwendung. Die betroffenen Unternehmen sollten jedoch bereits jetzt mit der Vorbereitung und Um-setzung der erforderlichen Massnahmen be-ginnen, um die neuen rechtlichen Anforderungen bis zu diesem Zeitpunkt zu erfüllen.

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