In den letzten Jahren wurde dem Thema Nachhaltigkeit in der Europäischen Union eine immer höhere Priorität eingeräumt und dessen Schlüsselrolle bei der Bewältigung globaler Herausforderungen erkannt. So wurden verschiedene gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, um Aspekte aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) in Unternehmensstrategien zu integrieren, darunter die Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD), die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR), die EU-Taxonomie-Verordnung, die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) usw.

In jüngster Zeit haben auch einzelne EU-Mitgliedstaaten eigene Lieferkettengesetze erlassen, welche in Umfang und Rechtswirkung voneinander divergieren. In dem Bestreben, eine gemeinsame Grundlage für alle Mitgliedstaaten zu schaffen, will der europäische Gesetzgeber den bestehenden regulatorischen Flickenteppich durch die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD), gemeinhin als das EU-Lieferkettengesetz bezeichnet, ablösen.

Die Richtlinie, über die momentan in der EU intensiv diskutiert wird, soll einen umfassenden Rahmen für die Sorgfaltspflicht von Unternehmen schaffen, um negative Auswirkungen auf Menschenrechte, Umwelt und verantwortungsvolle Unternehmensführung in der gesamten Lieferkette zu erkennen, zu verhindern und zu mildern. Die CSDDD wird voraussichtlich ein breites Spektrum von Unternehmen abdecken und Auswirkungen auf verschiedene Branchen und Sektoren haben.
Trotz der Unwägbarkeiten, die mit der Umsetzung verbunden sind, würde die CSDDD – im Falle ihres Inkrafttretens – Unternehmen, einschließlich derer, die in Vietnam tätig sind, erhebliche Verpflichtungen in Bezug auf die Einhaltung ihrer Bestimmungen sowie die wirksame Durchsetzung der Sorgfaltspflicht auferlegen. Da sich die Gesetzeslandschaft ständig ändert, sollten Unternehmen wachsam bleiben und sich auf mögliche Änderungen ihrer Sorgfalts- und Nachhaltigkeitspflichten einstellen.

CSDDD – Überblick

Aktueller Stand

Die Umsetzung der Richtlinie ist in der Schwebe, da mehrere Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland, Bedenken hinsichtlich des damit verbundenen bürokratischen Aufwands und einer drohenden Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen haben. Die ursprünglich für den 9. Februar 2024 geplante, dann auf den 14. Februar und schließlich auf den 28. Februar 2024 verschobene Abstimmung im Europäischen Rat ist indes gescheitert. Nach diesem jüngsten Rückschlag erscheint eine Verabschiedung der Richtlinie vor den Europawahlen im Juni 2024 unwahrscheinlich.

Anwendungsbereich (Pflichtenadressaten)
Sollte die Richtlinie in Kraft treten und von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, wären Pflichtenadressaten Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform, einschließlich KMU sowie bestimmte in der Richtlinie näher aufgeführte beaufsichtigte Finanzunternehmen.

Im Einzelnen werden Unternehmen erfasst, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurden und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen („Kategorie 1“):

  • Das Unternehmen hatte im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss erstellt wurde, im Durchschnitt mehr als 500 Beschäftigte und einen weltweiten Nettoumsatz von über 150 Mio. EUR.
  • Das Unternehmen erreichte die o.g. Schwellenwerte nicht, hatte aber im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss erstellt wurde, im Durchschnitt mehr als 250 Beschäftigte und einen weltweiten Nettoumsatz von über 40 Mio. EUR, sofern mindestens 50 % hiervon in einem oder mehreren der folgenden Sektoren erwirtschaftet wurden:
    • Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei (einschließlich Aquakultur), Herstellung von Lebensmittelprodukten und Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, Holz, Lebensmitteln und Getränken;
    • Gewinnung mineralischer Ressourcen unabhängig davon, wo sie gewonnen werden (einschließlich Rohöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle, Metalle und Metallerze sowie aller anderen, nichtmetallischen Mineralien und Steinbruchprodukte), Herstellung von Grundmetallerzeugnissen, sonstigen Erzeugnissen aus nichtmetallischen Mineralien und Metallerzeugnissen (ausgenommen Maschinen und Ausrüstungen) sowie Großhandel mit mineralischen Rohstoffen, mineralischen Grunderzeugnissen und Zwischenerzeugnissen (einschließlich Metalle und Metallerze, Baustoffe, Brennstoffe, Chemikalien und andere Zwischenprodukte).
      Darüber hinaus sollen die Verpflichtungen auch für nach den Rechtsvorschriften eines Drittlandes gegründete Unternehmen gelten, welche eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen („Kategorie 2“):
  • Das Unternehmen erzielte im Geschäftsjahr vor dem letzten Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR.
  • Das Unternehmen erzielte im Geschäftsjahr vor dem letzten Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. EUR, aber nicht mehr als 150 Mio. EUR, sofern mindestens 50 % seines weltweiten Nettoumsatzes in einem oder mehreren der o.g. Sektoren erwirtschaftet wurden.
    Inhalt – Was Unternehmen mit Sitz in Vietnam wissen müssen?
    Hauptpflichten
    Unternehmen sollen ihre Sorgfaltspflicht durch die folgenden Maßnahmen erfüllen und zu diesem Zweck Ressourcen und Informationen mit ihrer jeweiligen Unternehmensgruppe im Einklang mit dem geltenden Wettbewerbsrecht austauschen:
  • Einbeziehung der Sorgfaltspflicht in ihre Unternehmenspolitik: Dies beinhaltet insbesondere die Aufnahme einer jährlich zu aktualisierenden Strategie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht, die den (langfristig) verfolgten Ansatz, einen von Beschäftigten und Tochterunternehmen einzuhaltenden Verhaltenskodex sowie eine Beschreibung der diesbezüglichen Verfahren und Überprüfungsmaßnahmen umfasst.
  • Ermittlung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt, die sich aus den Tätigkeiten des Unternehmens (einschließlich aus jener seiner Tochtergesellschaften und – sofern sie mit ihren Wertschöpfungsketten im Zusammenhang stehen – aus ihren etablierten Geschäftsbeziehungen) ergeben, durch „geeignete Maßnahmen“. Für Unternehmen der 2. Kategorie beschränkt sich die Verpflichtung auf den jeweils relevanten Sektor, während Finanzunternehmen die Auswirkungen bereits vor Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermitteln sollen. In jedem Fall sollen Unternehmen die Möglichkeit haben, auf angemessene Ressourcen zuzugreifen sowie Konsultationen mit potenziell betroffenen Arbeitnehmern/Interessenträgern zwecks Informationssammlung durchzuführen.
  • An die Ermittlung schließt sich ein abgestuftes Regelungskonzept an, welches der Unterscheidung zwischen „potenziellen“ und „tatsächlichen“ negativen Auswirkungen Rechnung trägt:
    • Potenzielle negative Auswirkungen sollen mithilfe geeigneter Maßnahmen primär vermieden und — wenn dies nicht (unmittelbar) möglich ist — angemessen abgeschwächt werden. Dies schließt ggf. die folgenden Verpflichtungen ein:
      • Entwicklung eines „Präventionsaktionsplans“ mit angemessenen und klar festgelegten Zeitplänen für Maßnahmen sowie qualitativen und quantitativen Indikatoren zur Messung von Verbesserungen;
      • Einholung vertraglicher Zusicherungen von direkten Geschäftspartnern — und von deren Partnern, soweit ihre Tätigkeiten Teil der Wertschöpfungskette des Unternehmens sind (sog. Vertragskaskaden) — bezüglich der Einhaltung des Verhaltenskodex des Unternehmens und erforderlichenfalls der Sicherstellung eines Präventionsplans;
      •  Tätigung notwendiger Investitionen in diesem Zusammenhang;
      • Gezielte und verhältnismäßige Unterstützung von KMU, mit denen das Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhält, sofern die Einhaltung des Verhaltenskodex oder des Präventionsaktionsplans die Tragfähigkeit des KMU gefährden würde;
      • Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen im Einklang mit den Unionsrecht zwecks Verbesserung der Fähigkeit des Unternehmens zur Behebung negativer Auswirkungen, insbesondere wenn keine anderen Maßnahmen geeignet oder wirksam sind;
      • Bemühungen des Unternehmens zum Abschluss von Verträgen mit indirekten Partnern für den Fall, dass die Vermeidung/Abschwächung der Auswirkungen nicht möglich ist, und Flankierung der vertraglichen Zusicherungen durch geeignete Maßnahmen zur Überprüfung ihrer Einhaltung. Zur Erleichterung von KMU sieht die Richtlinie vor, dass die angewandten Bedingungen fair, angemessen und nichtdiskriminierend sein müssen und die Überprüfungskosten durch das Unternehmen zu tragen sind;
      • Tragen die o.g. Maßnahmen zu einer Vermeidung/Abschwächung nicht bei, darf das Unternehmen mit dem direkten/indirekten Partner, von dem die Auswirkungen ausgehen, keine neuen Beziehungen eingehen bzw. bestehende ausbauen; sofern dies gesetzlich vorgesehen ist und zu erwarten ist, dass gleichzeitige Bemühungen zur Vermeidung/Abschwächung kurzfristig erfolgreich sein werden, sind die Geschäftsbeziehungen mit diesem vorübergehend auszusetzen bzw. — bei schwerwiegenden Auswirkungen — zu beenden. Abweichend hiervon sind Finanzunternehmen nicht zur Kündigung bestehender Kredit-, Darlehens- oder Finanzdienstleistungsverträge verpflichtet, wenn dies nach vernünftigem Ermessen zu einem erheblichen Schaden für den Dienstleistungsempfänger führen würde.
    • Tatsächliche negative Auswirkungen sollen primär behoben und — wenn dies nicht möglich ist — in ihrem Ausmaß minimiert werden. Dies umfasst ggf. die nachfolgenden Verpflichtungen:
      • Neutralisierung/Minimierung der Auswirkungen durch Zahlung von Schadensersatz/finanzieller Entschädigung an die betroffenen Personen/Gemeinschaften;
      • Entwicklung und Umsetzung eines Korrekturmaßnahmenplans mit angemessenen und klar festgestellten Zeitplänen für Maßnahmen, für den Fall, dass dies aufgrund der fehlenden (unmittelbaren) Behebung der Auswirkungen notwendig ist;
      • Vertragliche Zusicherung eines direkten Partners bei etablierter Geschäftsbeziehung (sowie seiner Partner bei sog. Vertragskaskaden) zur Sicherstellung der Einhaltung des Verhaltenskodexes und ggf. des Korrekturmaßnahmenplans, flankiert von geeigneten Maßnahmen zur Überprüfung. Zur Erleichterung von KMU sieht die Richtlinie vor, dass die angewandten Bedingungen fair, angemessen und nichtdiskriminierend sein und die Überprüfungskosten durch das Unternehmen getragen werden müssen;
      • Tragen die o.g. Maßnahmen zur einer Behebung/Minimierung nicht bei, darf das Unternehmen mit dem direkten/indirekten Partner, von dem die Auswirkungen ausgehen, keine neuen Beziehungen eingehen oder bestehende ausbauen. Abweichend hiervon sind Finanzunternehmen nicht zur Kündigung bestehender Kredit-, Darlehens- oder Finanzdienstleistungsverträge verpflichtet, wenn dies nach vernünftigem Ermessen zu einem erheblichen Schaden für den Dienstleistungsempfänger führen würde.
    • Darüber hinaus müssen Unternehmen künftig eine in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassene bzw. ansässige natürliche oder juristische Person als Bevollmächtigten benennen, um eine effektive Zusammenarbeit mit der – für die Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen zuständigen — mitgliedsstaatlichen Aufsichtsbehörde zu gewährleisten. Auch in Vietnam niedergelassene Unternehmen sollen künftig der aufsichtsbehördlichen Überwachung mit der Maßgabe unterliegen, dass für diese die Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaats zuständig ist, in dem das Unternehmen eine Zweigstelle unterhält. Hat das Unternehmen keine Zweigstelle in einem Mitgliedstaat oder befinden sich seine Zweigstellen in verschiedenen Mitgliedstaaten, so ist die Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Unternehmen den größten Teil seines Nettoumsatzes in der Union in dem Geschäftsjahr erzielt hat, das dem letzten Geschäftsjahr, einem durch die Mitgliedstaaten näher bestimmten Zeitpunkt oder dem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen erstmals die Kriterien der Kategorie 2 erfüllt, vorangeht, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. In diesem Zusammenhang soll es – im Falle einer relevanten Umstandsänderung – möglich sein, die Aufsichtsbehörde auf Antrag des Unternehmens zu wechseln.
      Sonstige Bestimmungen
      Die Richtlinie sieht unter anderem folgende weitere Bestimmungen vor:
    • Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Beschwerdeverfahrens durch die Mitgliedstaaten. Personen und Organisationen, die berechtigte Bedenken hinsichtlich tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen von Unternehmen, ihren Tochterunternehmen oder Wertschöpfungsketten haben, können sich demnach bei dem Unternehmen beschweren, angemessene Folgemaßnahmen fordern und — zur Erörterung dieser Auswirkungen — mit Unternehmensvertreter auf geeigneter Ebene zusammentreffen. Das Vorliegen negativer Auswirkungen soll im Falle einer begründeten Beschwerde als ermittelt gelten.
    • Überwachung der Wirksamkeit von Strategien und Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht: Unternehmen sollen mindestens alle zwölf Monate — jedenfalls aber bei begründetem Anlass zur Annahme, dass erhebliche neue Risiken im Hinblick auf negative Auswirkungen auftreten können — Bewertungen ihrer eigenen Tätigkeiten und Maßnahmen, derjenigen ihrer Tochterunternehmen oder ihrer etablierten Geschäftsbeziehungen durchführen und ihre Strategie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht entsprechend aktualisieren.
    • Unternehmen, die nicht bereits Berufspflichten nach der Bilanz-Richtlinie (2013/34/EU) unterliegen, sollen – bis zum 30. April jedes Jahres für das vorangegangene Kalenderjahr – einen jährlichen Bericht über ihre Sorgfaltspflicht, die potenziellen und tatsächlichen negativen Auswirkungen sowie die ergriffenen Gegenmaßnahmen auf ihrer Website in einer in der internationalen Wirtschaftswelt gebräuchlichen Verkehrssprache veröffentlichen. Inhalt und Kriterien der Berichterstattung sollen durch die EU-Kommission weiter konkretisiert werden.
    • Künftig werden die geplanten Leitlinien der EU-Kommission zu freiwilligen Mustervertragsklauseln, zu bestimmten Sektoren und speziellen negativen Auswirkungen zu berücksichtigen sein.
    • Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten zwecks Unterstützung der Unternehmen und ihrer Partner begleitend Websites, Plattformen und Portale einrichten und betreiben. Besonderes Augenmerk wird dabei auf KMU gelegt, denen die Mitgliedstaaten unbeschadet der geltenden Vorschriften für staatliche Beihilfen finanzielle Hilfe gewähren sollen.
    • Die Mitgliedstaaten sollen zudem sicherstellen, dass Unternehmen, bei denen der Klimawandel als ein Hauptrisiko oder eine Hauptauswirkung ihrer Tätigkeit ermittelt wurde bzw. hätte ermittelt werden sollen, Emissionsreduktionsziele in ihre Pläne aufnehmen.
    • Des Weiteren sollen Aufsichtsbehörden von Amts wegen oder bei begründeten Bedenken – im Falle drohender Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Untersuchungserfolgs sogar ohne vorherige Warnung des betreffenden Unternehmens – Untersuchungen einleiten dürfen, gegebenenfalls im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates im Wege der Amtshilfe. Ergibt die Untersuchung das Vorliegen eines Verstoßes, so soll dem Unternehmen nach Möglichkeit eine angemessene Abhilfefrist eingeräumt werden, wobei etwaige von der Aufsichtsbehörde angeordnete Abhilfemaßnahmen die Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen oder eine zivilrechtliche Haftung im Schadensfall nicht ausschließen. Aufsichtsbehörden sollen in diesem Zusammenhang auch die Beendigung von Verstößen und die Unterlassung jeglicher Wiederholung anordnen, finanzielle Sanktionen verhängen und vorläufige Maßnahmen treffen dürfen. Spiegelbildlich dazu sieht die CSDDD vor, dass das Recht natürlicher Personen auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen sie betreffende rechtsverbindliche Entscheidungen sichergestellt werden soll.
    • Natürliche und juristische Personen, die einen auf objektive Umstände gestützten Grund zur Annahme haben, dass ein Unternehmen gegen die CSDDD-Vorgaben verstößt, sollen ihre begründeten Bedenken künftig vor jeder Aufsichtsbehörde geltend machen dürfen und über das Ergebnis der Prüfung jener Bedenken und der aufsichtsbehördlichen Entscheidung informiert werden. Zur Überprüfung der verfahrens- und materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit aufsichtsbehördlicher Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen soll natürlichen und juristischen Personen der Zugang zu nationalen Gerichten oder anderen unabhängigen öffentlichen Stellen eröffnet werden.
    • Die Meldung von Verstößen richtet sich nach der Whistleblower-Richtlinie und den jeweiligen mitgliedstaatlichen Umsetzungsgesetzen.
      Sanktionen
      Die Mitgliedstaaten sollen künftig Vorschriften über Sanktionen erlassen, wobei diese nach den Vorgaben des europäischen Gesetzgebers „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein sollen und dabei Bemühungen des Unternehmens zur Erfüllung angeordneter Abhilfemaßnahmen, etwaige getätigte Investitionen, geleistete Unterstützung bzw. Zusammenarbeit mit anderen Stellen bei der Beseitigung negativer Auswirkungen innerhalb der Wertschöpfungsketten gebührend berücksichtigen. Wenn die Sanktionen finanzieller Natur sind, sollen sie sich ferner am Umsatz des jeweiligen Unternehmens richten.
      Ein rechtliches Novum stellt die vorgesehene zivilrechtliche Haftung von Unternehmen dar, die ihren Verpflichtungen zur Vermeidung potenzieller und Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen nicht nachkommen und dadurch negative, schadensstiftende Auswirkungen verursachen, die hätten ermittelt, vermieden, abgeschwächt, behoben oder minimiert werden können. Dennoch sollen Unternehmen, die entsprechende Maßnahmen ergriffen haben, nicht für Schäden haften, die durch Tätigkeiten eines indirekten Partners im Rahmen einer etablierten Geschäftsbeziehung verursacht wurden, es sei denn, es wäre im Einzelfall unangemessen zu erwarten gewesen, dass die ergriffenen Maßnahmen im Hinblick auf die negativen Auswirkungen geeignet wären. Zu beachten ist jedoch, dass die Haftung des Unternehmens nicht diejenige seiner Tochterunternehmen oder direkter/indirekter Geschäftspartner ausschließt.
      Auswirkungen einer möglichen Umsetzung der CSDDD auf Unternehmen mit Sitz in Vietnam
      Sollte die CSDDD in Kraft treten und umgesetzt werden, werden EU-Unternehmen der 1. Kategorie ihre Sorgfaltspflichten auf ihre Geschäftspartner – auch im EU-Ausland – ausdehnen. Damit würden indirekt auch Unternehmen mit Sitz in Vietnam, die eng in die Wertschöpfungsketten dieser EU-Unternehmen eingebunden sind, in die Pflicht genommen. Indes beschränkt sich die CSDDD nicht auf indirekte Auswirkungen, sondern dehnt ihren Anwendungsbereich ausdrücklich auf Unternehmen mit Sitz in Drittländern aus. Entsprechend wären vietnamesische Unternehmen oder Unternehmen mit Niederlassungen in Vietnam direkte Adressaten der Verpflichtungen der Kategorie 2.

Von (in)direkter Relevanz für vietnamesische Unternehmen wären darüber hinaus die von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Sanktionsvorschriften sein.

CSDDD und EVFTA

Dennoch stehen vietnamesische Unternehmen den CSDDD-Vorgaben – angesichts ihrer bestehenden Verpflichtungen im Rahmen des EVFTA, welche die Einhaltung von CSR-, Umweltstandards, Klimaprotokollen sowie den Schutz der Biodiversität umfassen – nicht völlig unvorbereitet gegenüber. Im Kapitel 13 des EVFTA wird die nachhaltige Entwicklung zu einem grundlegenden Element der bilateralen Handelsbeziehungen mit der EU erklärt. Im Lichte der EVFTA-Verpflichtungen ist Vietnam bestrebt, durch seine Gesetzgebung und Politik ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Sozialschutzniveau zu gewährleisten und zu fördern und bemüht sich ständig um Verbesserungen. Was die Verfahrensgarantien betrifft, so unterliegen – im Gegensatz zu anderen im EVFTA erörterten Themen – alle Streitigkeiten, die sich aus Kapitel 13 über Handel und nachhaltige Entwicklung ergeben, einschließlich arbeitsrechtlicher Fragen, nicht den allgemeinen Streitbeilegungsverfahren nach Kapitel 15, sondern können vielmehr nur durch Konsultationen auf Regierungsebene oder durch Einschaltung einer Sachverständigengruppe, wie in Kapitel 13 vorgesehen, beigelegt werden.

In Bezug auf Arbeitsnormen schafft das EVFTA keine neuen Standards, sondern betont die Umsetzung der Verpflichtungen, die Vietnam und die EU als Mitglieder der IAO im Rahmen der Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und deren Folgemaßnahmen eingegangen sind, insbesondere: i) die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen, ii) die Beseitigung aller Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit, iii) die wirksame Abschaffung der Kinderarbeit und iv) die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Bereits vor Inkrafttreten des EVFTA hat Vietnam seine Gesetze, Vorschriften und Politiken verabschiedet und angepasst, um sie mit den international anerkannten Arbeitsnormen in Einklang zu bringen. Dieser Prozess setzt sich im Zuge der Erfüllung der Verpflichtungen Vietnams im Rahmen des CPTPP und des EVFTA fort; Letzteres zeigt insbesondere die Änderung des Arbeitsgesetzbuchs im Jahr 2019.

Im Bereich des Umweltschutzes enthält das EVFTA neben Kapitel 13 ein eigenes Kapitel über nichttarifäre Handels- und Investitionshemmnisse im Bereich der Erzeugung erneuerbarer Energie. Es enthält sektorspezifische Regelungen (i) zur diskriminierungsfreien Behandlung im Allgemeinen (Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren), (ii) zum sog. „Local Content“ und (iii) zur Verwendung internationaler Standards.

Relevante Initiativen aus jüngster Zeit sind u.a. die Entscheidung Nr. 876/QD-TTg, die Entscheidung Nr. 500/QD-TTg zur Genehmigung des Energieentwicklungsplans VIII, das Umweltschutzgesetz Nr. 72/2020/QH14 und Der Strategische Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam und den Vereinten Nationen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung für den Zeitraum 2022-2026 (“One Strategic Framework for Sustainable Development Cooperation between the Government of the Socialist Republic of Vietnam and the United Nations for the Period 2022-2026”). Daraus ergibt sich nicht zuletzt die Verpflichtung für in Vietnam tätige Unternehmen, diese Standards und die lokalen Anforderungen zu erfüllen.

Fazit

Die CSDDD enthält Verpflichtungen für Unternehmen in Bezug auf tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt im Zusammenhang mit ihren eigenen Aktivitäten, denen ihrer Tochtergesellschaften und denen ihrer Partner in der Wertschöpfungskette, mit denen sie Geschäftsbeziehungen unterhalten. Diese Verpflichtungen, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, gelten auch für Unternehmen, die in Vietnam tätig sind und deren Geschäftstätigkeit direkt oder indirekt mit der EU verbunden ist. Ob die CSDDD jedoch schließlich umgesetzt wird, erscheint derzeit jedoch fraglich.

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