Am Sonntag, 29. November 2020, ist die Volksinitiative "Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt" (Konzernverantwortungsinitiative) am Ständemehr gescheitert. Damit tritt der vom Parlament ausgearbeitete Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe in Kraft, sofern dagegen nicht erfolgreich das Referendum ergriffen wird. Der Gegenvorschlag verpflichtet grössere Publikums-gesellschaften und Finanzdienstleister zu weitgehenden Berichterstattungspflichten, unter anderem in den Bereichen Umwelt, Arbeitnehmerschutz, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Zudem statuiert er bei Metall- und Mineraliengeschäften und zur Vermeidung von Kinderarbeit zusätzliche Sorgfaltspflichten für sämtliche Unternehmen.

Die am Ständemehr gescheiterte Konzern-verantwortungsinitiative hätte drauf abgezielt, Schweizer Unternehmen zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechts- und Um-weltstandards zu verpflichten, indem ihnen umfangreiche Sorgfaltspflichten auferlegt worden wären und ein neues Haftungsregime für Handlungen kontrollierter Unternehmen hätte eingeführt werden sollen.

Nachdem die Initiative abgelehnt wurde, steht nun das Inkrafttreten des vom Parlament ausge-arbeiteten indirekten Gegenvorschlags bevor.

Der Gegenvorschlag

Der Gegenvorschlag zur Konzernverantwor-tungsinitiative sieht eine Reihe bereits ausformu-lierter Gesetzesanpassungen vor, die den be-troffenen Unternehmen im Kern die folgenden zusätzlichen Pflichten auferlegen:

  • Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange, insbesondere in den Bereichen Um-welt, soziale Verantwortung und Menschen-rechte, angelehnt an die bestehende EU-Richt-linie 2014/95 (Corporate Social Responsibility-Richtlinie); und
  • Sorgfaltspflichten (mit korrespondierender Rechenschaftspflicht) im Umgang mit heiklen Metall- und Mineraliengeschäften und zur Vermeidung von Kinderarbeit.

Der als indirekter Gegenvorschlag verabschie-dete Gesetzesentwurf tritt nicht unmittelbar in Kraft, sondern unterliegt zunächst dem fakultativen Referendum. Kommt das Referendum zustande, folgt eine Volksabstimmung über den Gesetzesentwurf. Kommt kein Referendum zustande, bestimmt der Bundesrat das Inkrafttreten.

Für betroffene Unternehmen erscheint es ratsam, soweit nicht bereits erfolgt, zeitnah mit dem Auf-bau eines adäquaten unternehmensinternen Corporate Social Responsibility-Programms wie auch eines Risikomanagementsystems zu beginnen und nach Möglichkeit die neuen Sorgfalts-pflichten bereits vor Inkrafttreten zu erfüllen.

Betroffene Unternehmen

Von der Berichterstattungspflicht über nichtfi-nanzielle Belange erfasst sind in der Schweiz an-sässige Publikumsgesellschaften sowie Finanz-dienstleister mit mindestens 500 Jahresvollzeit-stellen und einer Bilanzsumme von mehr als CHF 20 Millionen oder einem Jahresumsatz von mehr als CHF 40 Millionen (jeweils zusammen mit den von ihnen kontrollierten in-und ausländi-schen Unternehmen) in zwei aufeinanderfolgen-den Geschäftsjahren. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Unternehmen, die von einem ande-ren Unternehmen kontrolliert werden, das die vorstehenden Kriterien erfüllt oder einen gleich-wertigen Bericht nach ausländischem Recht er-stellen muss.

Von den Sorgfaltspflichten im Bereich von Me-tall- und Mineraliengeschäften und Kinderarbeit sind dagegen sämtliche Unternehmen erfasst, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptnieder-lassung sich in der Schweiz befindet und deren Geschäftsmodell eine gewisse Nähe zu Konfliktmineralien oder Kinderarbeit aufweist, in-dem sie entweder Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (sogenannte Konfliktmineralien) in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbei-ten, oder Produkte oder Dienstleistungen anbie-ten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit herge-stellt oder erbracht wurden.

Während der persönliche Anwendungsbereich der Berichterstattungspflicht klar und messbar im Gesetz festgelegt ist, ist der genaue Kreis der von den neuen Sorgfaltspflichten im Bereich der Me-tall- und Mineraliengeschäften und der Kinderar-beit betroffenen Unternehmen in den verabschie-deten Bestimmungen noch nicht eindeutig festgelegt. Dies liegt einerseits an den interpretationsbedürftigen Kriterien (Metalle aus "Konflikt- und Hochrisikogebieten", "begründeter Verdacht" auf Einsatz von Kinderarbeit) und andererseits an den vom Bundesrat noch zu konkretisierenden Ausnahmen. Letztere sind vorgesehen für Unternehmen, die bestimmte Einfuhrmengen von relevanten Mineralien und Metallen nicht überschreiten. Im Bereich der Kinderarbeit bestehen sodann Ausnahmen für kleine und mittelgrosse Unternehmen ("KMU") und Unternehmen "mit geringen Risiken" sowie schliesslich für Unternehmen, die sich bereits an ein international anerkanntes gleichwertiges Regelwerk halten.

Berichterstattungspflichten über nichtfinanzi-elle Belange

Nebst der klassischen Finanzberichterstattung haben die obersten Leitungs- bzw. Verwaltungs-organe der betroffenen Unternehmen neu einen Bericht über nichtfinanzielle Belange zu verfassen und nach Genehmigung des für die Ge-nehmigung der Jahresrechnung zuständigen Organs zu veröffentlichen. Darin haben sie detail-liert Rechenschaft über die Handhabung von Be-langen der Corporate Social Responsibility (na-mentlich Umweltbelange, insbesondere CO2- Ziele, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Ach-tung der Menschenrechte sowie Bekämpfung der Korruption) abzulegen.

Das Gesetz zeichnet auch gleich die Grundele-mente dieses Berichts vor. Gefordert sind unter anderem Ausführungen zum Geschäftsmodell, zu den in Bezug auf die vorerwähnten Themen verfolgten Konzepten und den dabei angewand-ten Sorgfaltspflichten, zu ergriffenen Massnah-men mit Bewertung ihrer Wirksamkeit sowie zu identifizierten wesentlichen Risiken und deren Handhabung. Soweit das betroffene Unternehmen in- oder ausländische Gesellschaften kon-trolliert, muss der Bericht auch diese Gesell-schaften erfassen.

Der Gesetzesentwurf stellt es den betroffenen Unternehmen frei, ob sie die verlangte Berichter-stattung nach nationalen, europäischen oder internationalen Standards (wie insbesondere die Leitsätze der OECD) vornehmen wollen. Wenn solche Standards angewandt werden, sind sie im Bericht zu nennen und müssen in ihrer Gesamtheit berücksichtigt und befolgt werden. Dies dürfte insbesondere für Unternehmen, die bereits ein Reporting nach einem anerkannten Standard umgesetzt haben, eine naheliegende Option sein. Bei der Anwendung solcher Stan-dards ist sicherzustellen, dass alle Vorgaben des schweizerischen Rechts erfüllt sind. Nötigenfalls ist ein ergänzender Bericht zu verfassen.

Damit betroffene Unternehmen über ihre Risiko-analyse, verfolgte Präventionskonzepte und die dabei angewandten Sorgfaltspflichten Bericht er-statten können, müssen sie die entsprechenden Instrumente tatsächlich geschaffen haben, anson-sten die Berichterstattungspflicht reiner Leerlauf wäre. Insofern verlangt der Gesetzesentwurf nicht nur eine blosse Berichterstattung, sondern eine vertiefte Auseinandersetzung mit der sozia-len Unternehmensverantwortung und den Auf-bau eines adäquaten unternehmensinternen Corporate Social Responsibility-Programms.

Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kinderarbeit und Konfliktmineralien

Im Bereich von heiklen Mineralien- und Metall-geschäften und der Bekämpfung der Kinderarbeit geht der Gesetzesentwurf zudem über die Be-richterstattungspflicht hinaus, indem er konkrete Sorgfaltspflichten festlegt. Von den betroffenen Unternehmen wird verlangt, ein Management-system einzuführen, das es einerseits erlauben soll, die gesamte Lieferkette zurückzuverfolgen, und andererseits die Grundsätze der Lieferketten-politik in Bezug auf Konfliktmineralien und die Bekämpfung von Kinderarbeit festlegt. Zudem haben die Unternehmen konkrete Massnahmen zu ergreifen, um ihre Risiken in Bezug auf Kon-fliktmineralien aufzudecken und zu minimieren ("Risikomanagementplan"). Bezüglich der Ein-haltung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Mineralien- und Metallgeschäfte ist zudem eine Prüfung durch eine unabhängige Fachperson vorgeschrieben. Weitere Einzelheiten zu den konkreten Sorgfaltspflichten hat der Bundesrat in einer Verordnung festzulegen, wobei er sich an international anerkannten Regelwerken (wie ins-besondere den OECD-Leitsätzen) zu orientieren hat. Über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten hat das oberste Leitungs- bzw. Verwaltungsor-gan wiederum einen Bericht zu verfassen und innert sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zu publizieren.

Haftung und Verantwortlichkeit

Im Unterschied zur mit der Konzernverantwor-tungsinitiative beantragten Verfassungsänderung, sieht der Gegenvorschlag keine direkte zivil-rechtliche Haftung von Schweizer Unternehmen für Handlungen von kontrollierten Unternehmen (insbesondere Tochterunternehmen und wirtschaftlich abhängigen Geschäftspartnern), vor. Gleichwohl dürften Unternehmen gut beraten sein, die Vorgaben des Gegenvorschlages sorgfältig und zeitnah umzusetzen, um Reputations- und rechtliche Risiken zu vermeiden.

Mit der Einführung von neuen Sorgfaltspflichten werden stets auch potentielle Haftungsgrundla-gen geschaffen. Missachtet etwa ein Unternehmen die vorgegebenen Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung von Kinderarbeit, könnte es für damit zusammenhängenden Schaden potentiell zivilrechtlich eingeklagt werden, auch wenn sich die Pflichtverletzung in ihrer Lieferkette materialisiert hat.

Zudem sieht der Gesetzesentwurf auch eine (persönliche) strafrechtliche Verantwortlichkeit vor. Mit Busse bis zu CHF 100'000 wird insbe-sondere bestraft, wer vorsätzlich die Berichter-stattungspflicht unterlässt oder darin falsche Angaben macht. Bei Fahrlässigkeit droht eine Busse bis zu CHF 50'000.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.