Die Digitalisierung macht auch vor der Bauindustrie nicht Halt. Mit BIM (Building Information Modeling) finden digitale Arbeitsprozesse Eingang im Planungs- und Bauwesen sowie der Immobilienbewirtschaftung. BIM hat Vorteile – bringt aber auch neue Herausforderungen, die vertraglich geregelt werden müssen.

1 WAS GENAU I S T BIM?

1.1 ERST VIRTUELL, DANN REAL BAUEN

BIM (Building Information Modeling) steht für die Idee, ein Gebäude zuerst virtuell und erst dann real zu bauen. Mit BIM wird ein digitales (virtuelles) 3D-Modell mit baurelevanten Informationen erstellt. Diese digitale Information steht dann für den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie zur Verfügung – von der Planung über die Realisierung und die Bewirtschaftung (Facility Management) bis hin zum Rückbau.

1.2 VOM PAPIERPLAN ZUM 3D-MODELL

Im Zentrum eines BIM-Projekts steht das digitale Gebäudemodell. Die Arbeiten der Planer (Architekt, Bauingenieur, Haustechnikplaner, Sanitär, etc.) fliessen in dieses Modell ein. Statt einer Vielzahl von Papierplänen liegt ein virtuelles 3D-Modell vor. Dieses enthält nebst der 3D-Visualisierung auch alle baurelevanten Zusatzinformationen (wie z.B. Materialisierung und Kosten). Die Informationen lassen sich zentral verwalten und für verschiedene Anwendungen nutzen (wie Baukostenberechnung, Bauablaufplanung, Facility Management, etc.).

Es sind zwei Vorgehensweisen denkbar. Es ist erstens möglich, dass die Projektbeteiligten auf demselben Modell arbeiten, wozu sie dieselbe Software verwenden müssen (sog. closed BIM). Dies ist i.d.R. der Fall bei einem Totaloder Generalunternehmer, der BIM zur internen Koordination einsetzt. Oftmals arbeiten die Beteiligten aber zweitens auch mit ihrer eigenen, auf ihren Fachbereich zugeschnittener Software (sog. open BIM). Sie erstellen dann je eigene Fachmodelle (z.B. Elektro, Statik, Lüftung, etc.), welche regelmässig in einem Koordinationsmodell zusammengeführt werden.

1.3 NEUE ROLLEN UND AUFGABEN

BIM setzt eine spezifische IT-Infrastruktur und entsprechende Prozesse voraus. Ein mit BIM abzuwickelndes Bauprojekt setzt hohe Anforderungen an die vertraglichen, technischen, organisatorischen und baufachlichen Abläufe. Um diese Anforderungen bewältigen zu können, sind neue Funktionen entstanden: Der BIM-Manager sorgt für die technisch-organisatorische Abwicklung des BIM-Projekts (Sicherstellung der technischen Infrastruktur, des Datenaustausches, der dazu notwendigen technischen Abläufe, etc.). Der BIM-Koordinator übernimmt dagegen die baufachliche Verantwortung (Koordination der Fachmodelle und Sicherstellung der planerischen Qualität). Meist ist die Aufgabe des BIM-Koordinators beim Architekten angesiedelt.

2 WAS BRINGT BIM?

2.1 EFFIZIENZGEWINN DURCH DATENFLUSS

BIM verspricht einen Effizienzgewinn durch die Ermöglichung des durchgängigen Informationsflusses. Je nach Umsetzungsmodell können alle Beteiligten die Daten nutzen und in ihren jeweiligen Bereichen einsetzen. Zum Beispiel kann der Fachplaner sein Fachmodell auf einem Referenzmodell des Architekten aufbauen und muss dieses nur noch mit seinen fachspezifischen Beiträgen ergänzen. Ebenso kann der ausführende Unternehmer die Daten in seine Maschinen einspeisen, um automatisierte Arbeiten auszuführen oder gewisse Bauteile vorzufabrizieren.

Die Daten des BIM-Modells können während des ganzen Lebenszyklus einer Immobilie (also für die Bewirtschaftung, spätere Umbauten, den Rückbau, etc.) genutzt werden. Da rund 80% der Kosten einer Immobilie während der Bewirtschaftungsphase anfallen, besteht hier ein grosses Einsparungspotential, welches mit BIM realisiert werden kann.

2.2 FRÜHERE ERKENNUNG VON FEHLERN

Planungsfehler können im virtuellen Modell früher erkannt und damit einfacher und kostengünstiger vermieden werden. Auch Ausführungsfehler lassen sich besser kontrollieren. Mit einem durch lasergestützte Ausmessung des physischen Bauwerks erstellten As-Built-Modell lässt sich kontrollieren, ob das erstellte Bauwerk dem geplanten Modell entspricht.

Planungs- sowie Ausführungsfehler sind auch leichter beweis- und zuordenbar. Mit dem virtuellen Modell und dessen digital erfasster Entstehungsgeschichte lässt sich präzise nachweisen, wo der Fehler liegt, wann er erfolgte und wer für diesen Bereich verantwortlich war. Dies bedingt jedoch, dass die Verantwortlichkeiten, insbesondere allfällige spezielle Kontrollpflichten, im Vertrag genau zugewiesen werden (siehe Ziffer 3).

Von Bedeutung ist auch, dass der Bauherr sich bereits im Vorfeld durch das virtuelle Modell ein besseres Bild von seinem zukünftigen Bauwerk machen kann und somit schon früh Missverständnisse oder falsche Vorstellungen geklärt werden können.

2.3 HÖHERE KOSTEN- UND PLANUNGSSICHERHEIT

Der Planer kann die BIM-Informationen ins Leistungsverzeichnis übertragen und softwaregestützt prüfen, ob alle Elemente für die geplante Baute im Leistungsverzeichnis in der notwendigen Quantität enthalten sind (z.B. korrekte Anzahl Nieten für die geplanten Träger). Damit sind verlässlichere Leistungsverzeichnisse und Kostenabschätzungen bereits im Zeitpunkt der Planung präziser möglich. Dies hilft wiederum, Nachträge und dadurch entstehende Mehrkosten zu vermeiden bzw. besser zu verwalten.

Mit BIM kann der Bauablauf und die Logistik in der Planungsphase im virtuellen Modell simuliert und präzise geplant werden. So können Liefertermine früher festgelegt und Warteschlangen, Verzugskosten und Reibungsverluste vermindert werden. Dies führt zur Reduktion von Bauablaufstörungen und zu mehr Planungssicherheit.

2.4 GERINGERES STREITPOTENTIAL

Bei sorgfältiger Vertragsgestaltung, insbesondere betreffend die Abgrenzung der Leistungen und Verantwortlichkeiten sowie der Honorare der Projektbeteiligten (siehe Ziffer 3.3), hat BIM das Potential, Streitigkeiten zu minimieren.

Die frühere Erkennung oder Vermeidung von Mängeln, die höhere Kostensicherheit und die präzisere Ablaufplanung schaffen mehr Klarheit und können so Streitigkeiten zwischen den Projektbeteiligten vermeiden. Davon profitieren alle Akteure der Baubranche, da Baustreitigkeiten in der Regel komplex, kostspielig und zeitintensiv sind.

3 RECHTLICHE ASPEKTE

BIM ändert an den bisherigen Rechten und Pflichten der Projektbeteiligten grundsätzlich nichts. Es stellen sich aber neue Herausforderungen. Da sich entsprechende Standards und Normen erst in Entwicklung befinden, muss ein BIM-Projekt aktuell noch durch passende individuelle vertragliche Regelungen abgesichert werden.

3.1 NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Die neuen Herausforderungen durch BIM sind:

  • BIM befindet sich in der Schweiz noch in der Aufbauphase. Entsprechend hoch ist der Implementationsaufwand. Noch nicht alle Akteure sind schon auf BIM eingestellt. Auch der Bauherr muss früher und genauer definieren, welche Daten er von den Planern zu welchem Zweck erhalten will. Anspruchsvoll ist die genaue Definition der Leistungen, die von den Beteiligten erwartet werden, und die Zuteilung der entsprechenden Verantwortlichkeitsbereiche.
  • BIM erfordert eine engere Kooperation zwischen den Projektbeteiligten. Dies stellt zusätzliche Anforderungen an die Organisation und Abwicklung des BIM-Projekts. Planer haben neue Leistungen zu erbringen (z.B. datenbezogene Arbeitsschritte). Schliesslich findet eine Verlagerung von Aufgaben und Leistungen der Planer in frühere Projektphasen statt, was im Vergütungsmechanismus zu berücksichtigen ist.
  • BIM führt zu mehr Transparenz im Bauprojekt. Die Planungs- und Arbeitsschritte jedes Projektbeteiligten sind im digitalen Modell einfacher nachvollziehbar. Werden Mängel später erkannt, können sie einfacher einem Beteiligten zugeordnet werden. Mängel lassen sich so einfacher belegen.

3.2 STANDARDS SIND I N ENTSTEHUNG

Die bestehenden Normen und Standards (wie z.B. die SIA 102 / 118) sind noch nicht auf BIM ausgerichtet. Im Zusammenhang mit BIM sind Normierungsbestrebungen, insbesondere von der SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein), KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren), CRB (Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung) und von Bauen Digital Schweiz, im Gange (im Ausland bestehen entsprechende Standards bereits zum Teil). Eine gefestigte Praxis, wie diese Standards anzuwenden sind, fehlt jedoch zurzeit.

3.3 VERTRAGLICHE REGELUNG I S T NÖTIG

Um BIM-spezifische Aspekte zu berücksichtigen, sind in folgenden Bereichen passende individuelle vertragliche Bestimmungen notwendig:

  • BIM als Arbeitsmethode ist noch nicht Standard. Die Projektbeteiligen sind somit zu verpflichten, BIM einzusetzen. Sodann ist zu regeln, was für das konkrete Projekt unter "BIM" zu verstehen ist, und was der Bauherr genau umgesetzt sehen will. Dazu gehören auch Vorgaben zu den abzuliefernden BIM-Werken, insbesondere welche Modelle für welche Zwecke zu liefern sind (z.B. energetische Analyse, Bauausführung, Facility Management, etc.), in welchem Datenformat und in welcher Detailtiefe.
  • Grundsätzlich haftet auch bei BIM jeder Beteiligte nur für "seinen Bereich". Bei BIM ist jedoch noch wenig klar, welche Leistungen in wessen Bereich fallen. Deshalb sind die zu erbringenden BIM-Leistungen sowie die BIM-spezifischen Rollen zu definieren und den einzelnen Projektbeteiligten präzise zuzuordnen. Nur so können die Zuständigkeits- und Haftungssphären klar geregelt werden.
  • Bei der Regelung der Vergütung ist zu berücksichtigen, dass bei einem BIM-Projekt zusätzliche, BIM-spezifische Leistungen zu erbringen sind. Zudem verschiebt sich der Arbeitsaufwand der Planer im Vergleich zu Projekten ohne BIM in frühere Projektphasen.
  • Ebenfalls geregelt werden müssen informationstechnische Aspekte (z.B. betreffend Software, Lizenzen, Datenhaltung und Datenhoheit, Datenaustausch und Datenformate) sowie Fragen zu Schutz- und Lizenzrechten: Allfällige Urheberrechte müssen so geregelt werden, dass die für das BIM-Projekt gesetzten Ziele (z.B. Bewirtschaftung) erreicht werden können.

3.4 KOMPATIBILITÄT ALLER VERTRÄGE

Die einzelnen Verträge der Projektbeteiligten müssen betreffend BIM aufeinander abgestimmt werden, damit ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist. Dazu bieten sich BIM-spezifische Allgemeine Vertragsbedingungen ("BIMAVB") an, die die rechtlichen Aspekte von BIM regeln und bei jedem Vertragswerk mit verschiedenen Parteien (Architekt, Fachplaner, Bauunternehmen, etc.) zum integrierenden Bestandteil erklärt werden. Für die Projektabwicklung und -organisation wird ein BIM-Projektabwicklungsplan ("BAP") erstellt, welcher u.a. Organisation und Ablauf, Terminologie und Milestones des BIM-Projekts festlegt. BIMAVB und BAP bilden die BIM-spezifischen Grundlagen für alle Projektbeteiligten.

4 FAZIT UND EMPFEHLUNG

BIM stellt einen wichtigen Schritt der Bauwirtschaft in die (digitale) Zukunft dar. Der mögliche Effizienzgewinn ist gross, v.a. für den (selbstbewirtschaftenden) Bauherrn, da sich die mit BIM geschaffene Datengrundlage über den ganzen Lebenszyklus der Immobilie nutzen lässt. Die erfolgreiche Umsetzung eines BIM-Projekts setzt eine entsprechende Organisation und eine auf BIM ausgerichtete Projektkoordination voraus.

Die zunehmende Bedeutung und das Potential von BIM zeigt sich auch daran, dass bei öffentlichen Ausschreibungen BIM je länger je mehr vorgeschrieben ist.

BIM stellt hohe Anforderungen sowohl an Planer, Unternehmer wie auch den Bauherrn. Entsprechend sind alle Projektbeteiligten auf die projektspezifischen BIM-Vorgaben zu verpflichten. Dies setzt voraus, dass die vertragliche Regelung auf BIM ausgerichtet ist und die Besonderheiten eines BIM-Projekts angemessen berücksichtigt. Die BIM-spezifischen Regelungen sind auf die Zielsetzungen des Bauherrn und die Kompetenzen und Kapazitäten der Projektbeteiligten auszurichten.

Ratsam ist, bei der Umsetzung eines BIM-Projekts in einem möglichst frühen Stadium technische und baufachliche Spezialisten beizuziehen und auf eine sachgerechte vertragliche Regelung zu achten.

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