1.1 Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG bei downstream-Kreditvergabe (OGH 23.04.2020, 6 Ob 154/19v)

Diese Entscheidung ist eine Nachwehe der Insolvenz des Alpine-Konzerns und betrifft den Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG. Klägerin ist die insolvente österreichische Holding-Gesellschaft, die offenbar überwiegend Finanzierungsfunktion hatte. Beklagte ist deren spanische Alleingesellschafterin.

Die Klägerin hatte auf Weisung der Beklagten (so die Behauptung der Klägerin) mehrere eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen an ihre Tochter, die operative Baugesellschaft, begeben. Diese Darlehensforderungen wurden in der Insolvenz der Baugesellschaft mit Hinweis auf das EKEG bestritten. Die Klägerin machte diese Beträge daher – gestützt auf § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG und § 83 GmbHG – gegen ihre Muttergesellschaft geltend. Während das Erstgericht die Klage abwies, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung auf. Der OGH folgte dieser Ansicht und wies den Rekurs der Beklagten zurück.

Idealtypischer Anwendungsfall von § 9 Abs 1 EKEG ist die Kreditgewährung durch eine Schwestergesellschaft. Demnach ist der Kredit – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – auch in dieser Konstellation eigenkapitalersetzend und hat die kreditgebende Schwestergesellschaft einen Erstattungsanspruch gegen die weisunggebende Mutter. Die Bestimmung soll Umgehungskonstruktionen, bei denen die Konzernmutter ihre Finanzierungsverantwortung auf ein anderes Konzernunternehmen abwälzt, verhindern. Bei einer eigenkapitalersetzenden Kreditvergabe einer Mutter an ihre Tochtergesellschaft (wie im vorliegenden Fall) greift bereits der EKEG-Schutz gem §§ 5, 8 EKEG. Während das EKEG primär Gläubigerschutz auf Ebene des Kreditnehmers bezweckt, erfüllt der in § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG angeordnete Erstattungsanspruch eine Schutzfunktion zugunsten der (Gläubiger der) kreditgebenden Gesellschaft. Der Meinungsstand zur Anwendung der Bestimmung auf vertikale Kreditvergaben im Konzern ist uneinheitlich.

Nach Abwägen der verschiedenen Positionen in der Literatur sieht der OGH die Bestimmung in § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auch auf die downstream-Kreditvergabe anwendbar. Entscheidendes Kriterium ist, ob eine Weisung vorliegt. Dies war im vorliegenden Fall noch nicht ausreichend ermittelt und muss nach Verfahrensergänzung festgestellt werden. Das Gericht legt dieser Weisung ein weites Begriffsverständnis zugrunde, lässt hier aber keinen Anscheinsbeweis zu.

Praxistipp

Mit dieser Entscheidung wurde der Schutz unter dem EKEG erheblich zugunsten kreditgebender Gesellschaften erweitert. Wenn eine Gesellschaft unfreiwillig – nämlich auf Weisung ihrer Muttergesellschaft – ein eigenkapitalersetzendes Darlehen an ihre Tochtergesellschaft gibt, dann kann sie die Erstattung der Kreditsumme von ihrer Mutter verlangen. Aus Sicht der Kreditgeberin ist es also ratsam, Weisungen zur konzerninternen Kreditvergabe an Konzerngesellschaften stets sorgfältig zu dokumentieren.

1.2 Kontrollrechte ausgeschiedener Kommanditisten (OGH 19.12.2019, 6 Ob 229/19y)

Der OGH musste in dieser Entscheidung die Frage klären, ob ausgeschiedene Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft ihre Auskunfts- und Kontrollrechte im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen haben. Die Kläger begehrten die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, um die Richtigkeit der Gewinnverteilung und ihrer Abfindungsansprüche bei Ausscheiden überprüfen zu können.

Das Erstgericht sprach aus, die Rechtssache sei im streitigen Rechtsweg zu führen und gab dem Einsichts- und Auskunftsbegehren statt. Das Berufungsgericht hob hingegen die erstgerichtliche Entscheidung wegen Nichtigkeit auf. Nach ihrer Ansicht seien Bucheinsichtsrechte ausgeschiedener Kommanditisten im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen. Wenn nicht nur die Kontroll- und Überwachungsrechte des Gesellschafters streitig sind, sondern auch die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen, so ist das Recht auf Bucheinsicht im Klagewege durchzusetzen.

In seiner Entscheidungsbegründung folgte der OGH den Ausführungen des Rekursgerichts und erwog, dass nach herrschender Rechtsprechung vertraglich eingeräumte Kontrollrechte sowie Anträge nach § 166 Abs 1 UGB im Außerstreitverfahren zu entscheiden sind. Ferner führt laut OGH das Ausscheiden eines Kommanditisten nicht zur Änderung der anzuwendenden Verfahrensart, da dem ausgeschiedenen Kommanditisten Auskunfts- und Kontrollrechte nur im Hinblick auf seine seinerzeitige Gesellschafterstellung zustehen. Eine aufrechte Mitgliedschaft des Gesellschafters stellt bereits im Schrifttum kein relevantes Kriterium zur Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren dar. Der OGH bestätigte seinen Tenor aus früheren Entscheidungen, dass beispielsweise auch das Ausscheiden von Gesellschaftern während eines Verfahrens keinen Einfluss auf die Ausübung des Verfahrens außer Streitsachen hat. Sogar der ausgeschiedene GmbH-Gesellschafter hat nach ständiger Rechtsprechung seinen Informationsanspruch im Außerstreitverfahren zu verfolgen, da das Außerstreitverfahren kein "Rechtsschutzdefizit" darstellt, sondern aufgrund seiner Flexibilität viel besser als das Streitverfahren geeignet ist.

1.3 Zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters (OGH 20.02.2020, 6 Ob 166/19h)

Die gegenständliche Entscheidung befasst sich mit dem Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters. Der OGH beschäftigte sich insbesondere mit den Grenzen dieses umfassenden Informationsanspruchs sowie mit der Behauptungs- und Beweislast bei dessen Verweigerung. Nach dem Sachverhalt war die Antragstellerin zu 32% Gesellschafterin der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin sicherte sich im Gesellschaftsvertrag maßgebliche Kontrollrechte zu. Insbesondere für die Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan ist eine Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen erforderlich, sofern darin Investitionen über 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres enthalten sind. Für die Prüfung, ob dem Investitionsplan zugestimmt werden sollte, begehrte die Antragstellerin Bucheinsicht sowie die Freigabe von bestimmten Daten und Informationen. Die Antragsgegnerin verweigerte die Freigabe mit dem Hinweis auf das Kartellverbot, weil die Antragstellerin Wettbewerberin der Antragsgegnerin ist.

Der OGH bestätigte seine bisherige ständige Rechtsprechung, wonach dem GmbH-Gesellschafter ein umfassendes Informationsrecht gegenüber der Gesellschaft zusteht, das über das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht gem § 22 Abs 2 GmbHG hinausgeht. Dieser Informationsanspruch ist aber insoweit beschränkt, als er rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Gegen ein gesetzliches Verbot kann die Informationserteilung etwa dann verstoßen, wenn eine Verletzung gegen das Kartellverbot vorliegt (dies wurde vom OGH unter Berufung auf die E 6 Ob 105/19p im Ergebnis verneint). Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Informationsrechts liegt etwa dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich in den Vordergrund treten oder wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen des Handelnden und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils besteht. Rechtsmissbräuchlich ist der Informationsanspruch ferner auch dann, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden.

Die Verweigerung des Bucheinsichtsrechts/Informationsrechts setzt zudem nicht nur eine abstrakte, sondern auch eine konkrete Gefährdung voraus, dass die erlangten Informationen zu einer schwerwiegenden Schädigung der Gesellschaft führen. Dafür trägt die die Informationserteilung verweigernde Gesellschaft die Behauptungs- und Beweislast. Sie hat dabei konkrete Behauptungen sowohl zur Gefährdung als auch zur Wettbewerbsrelevanz der begehrten Informationen aufzustellen. Im konkreten Fall gelang dies der Antragsgegnerin nicht, weil sie sich lediglich ganz allgemein auf eine vermeintliche kartellrechtswidrige Informationserteilung berufen hatte.

1.4 Rechtsschutzinteresse bei der Anfechtung von HV-Beschlüssen (OGH 19.12.2019, 6 Ob 113/19i)

In der gegenständlichen Entscheidung befasste sich der OGH mit der Anfechtungslegitimation und dem individuellen Rechtsschutzbedürfnis der Aktionäre. Die Beklagte – eine ausländische Gesellschaft – war aufgrund einer Verschmelzung nach dem EU-VerschG Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglich Beklagten. Da sich der Aufsichtsrat der übernehmenden Gesellschaft aus denselben Mitgliedern wie in der übertragenden Gesellschaft zusammensetzte, begehrte die Klägerin die Nichtigerklärung sowie in eventu die Feststellung der Nichtigkeit des zuletzt gefassten Beschlusses, durch den ein männliches Aufsichtsratsmitglied gewählt wurde; des Weiteren die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über die Wahl der übrigen männlichen Aufsichtsratsmitglieder. Gestützt ist das Vorbringen auf die Verletzung der Bestimmungen zur Geschlechterdiversität des Aufsichtsrats gem § 87 Abs 2a AktG

Nach Ansicht des OGH bedarf die Erhebung von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen keines individuellen Rechtsschutzbedürfnisses, also keiner Betroffenheit in der eigenen Rechtssphäre. Allein aufgrund der Mitgliedschaft hat ein Aktionär bereits das Recht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Willensbildung in der Gesellschaft. Wenn die Nachprüfung rechtlich für niemanden mehr bedeutsam ist oder die Gesellschaft auf eine andere verschmolzen wird und die Parteienbezeichnung zu berichtigen ist, entfällt – falls der angefochtene Beschluss nicht in der übernehmenden Gesellschaft fortwirkt – allerdings das Rechtsschutzinteresse. Nach Ansicht des OGH indiziert das Erlöschen der übertragenen Gesellschaft die fehlende rechtliche Bedeutung der Beschlüsse über die Wahl in den Aufsichtsrat. Im konkreten Fall waren das Rechtsschutzbedürfnis und das rechtliche Interesse weder aus der Gesellschafterstellung in der übernehmenden Gesellschaft, noch aus dem bestehenden Vergütungsanspruch des Aufsichtsratsmitglieds abzuleiten.

1.5 Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts (OGH 23.01.2020, 6 Ob 3/20i)

In dieser Entscheidung geht es darum, ob die Gesellschaft in einem Firmenbuchverfahren über die Eintragung eines neuen Geschäftsführers und Gesellschafters Parteistellung genießt.

Der OGH stellte dazu einerseits klar, dass die Anmeldung zwar von den Geschäftsführern vorzunehmen ist, die Anmeldung aber im Namen der Gesellschaft erfolgt. Bei Ablehnung der Eintragung ist die Gesellschaft deshalb beschwert und als Partei rekurs- und revisionsrekursberechtigt. Andererseits entschied das Höchstgericht nochmals (wie bereits in dem dieselben Parteien betreffenden Verfahren OGH 31.08.2018, 6 Ob 154/18t), dass das Gericht auch die Gültigkeit der Geschäftsanteilsabtretung prüft, wenn es Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen hegt. Damit stellt sich der OGH nun explizit gegen die in der Literatur und älteren Rechtsprechung vorhandene Tendenz, eine Einschränkung der Prüfungspflicht bei vereinfachten Anmeldungen nach § 11 FBG anzunehmen

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Originally published 16 June, 2020

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