Bitcoin, Tokens, ICO, Blockchain, Mining – Die Begriffe rund um Kryptowährungen sind in aller Munde. Jedoch gibt es zahlreiche offene Fragen und Unsicherheiten, vor allem in Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung der einzelnen Transaktionen mit digitalen Zahlungsmitteln. Dass die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) sich bisher noch nicht offiziell zur Thematik geäussert hat, macht die Sache nicht einfacher.

Der Mehrwertsteuer unterliegen die durch steuerpflichtige Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Lieferungen oder Dienstleistungen), sofern sie nicht von der Steuer ausgenommen sind (Art. 18 Abs. 1 MWSTG). Eine typische mehrwertsteuerpflichtige Leistung stellt den Verkauf einer Ware im Inland dar. Werden hingegen Mittel ausgerichtet, ohne dass eine Gegenleistung erbracht wird, liegt kein Leistungsverhältnis im Sinne der Mehrwertsteuer vor. Solche Mittel (sog. Nicht-Entgelte) unterliegen deshalb nicht der Mehrwertsteuer.

Eine Leistung bedeutet die Einräumung eines verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes an eine Drittperson in Erwartung eines Entgelts (Art. 3 lit. c MWSTG). Unter dem Begriff des verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes ist alles zu verstehen, was in irgendeiner Form der Bedürfnis- oder Nachfragebefriedigung dient. Verbrauchsfähige wirtschaftliche Werte sind Gegenstände und Dienstleistungen. Nicht verbrauchsfähig im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne sind etwa Boden und Kapital (Geld).

Zurzeit existieren rund 200 Kryptowährungen; die bekannteste darunter ist der Bitcoin. Eine Kryptowährung entsteht im Rahmen von sog. Inicial Coin Offerings (ICO) oder auch Token Generating Events (TGE), bei welchen teilweise Mittel von über CHF 100 Mio. beschafft werden. Die Frage, ob auf diesem Betrag die Mehrwertsteuer abzurechnen ist, weil der Vorgang dem Verkauf von Waren gleichkommt, oder ob die Mittel ohne Aufschlag der Mehrwertsteuer fliessen dürfen, da Kryptowährungen als Geld qualifizieren, ist deshalb von zentraler Bedeutung.

  1. Qualifiziert eine Kryptowährung als Geld oder Ware?

    1. Generell

Kryptowährungen sind digitale Informationseinheiten oder Token, mit denen man sich ein Guthaben erwirbt mit der Möglichkeit, in elektronischer Form Zahlungen zu tätigen. Durch kryptographisch abgesicherte Protokolle und dezentrale Datenhaltung ermöglichen Kryptowährungen einen Zahlungsverkehr ohne Zentralinstanzen wie z.B. Banken. Das Eigentum an der Kryptowährung wird durch den Besitz eines kryptologischen Schlüssels von ebenfalls kryptologisch signierten Guthaben in einer gemeinschaftlichen Blockchain repräsentiert. Kryptowährungen haben keinen besonderen eigenen oder inneren Wert. Dieser entsteht nur durch die Akzeptanz und das Vertrauen zwischen den Handelspartnern (Zahler und Bezieher), welche sich aus den Nutzungsmöglichkeiten und den daraus resultierenden Vorteilen ergibt.

Im Rahmen eines ICO wird eine Kryptowährung an Investoren bzw. der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten. Die Funktion der herausgegebenen Kryptowährung bzw. der Token ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Die Umsetzung des geplanten Projekts erfolgt erst, nachdem die Mittel beschafft bzw. die Token herausgegeben wurden. Mit der Ausgabe der Token gegen Geld hat der Herausgeber grundsätzlich sämtliche Verpflichtungen gegenüber dem Käufer erbracht. Der Erwerber hat in der Regel keinen Anspruch auf die Entwicklung, den Aufbau oder die Realisierung des geplanten Projekts. Ein Token stellt somit in den meisten Fällen kein Recht auf Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung dar. Aus diesem Grund qualifiziert der Token als Geldmittel, das zum gleichen Zweck wie ein gesetzliches Zahlungsmittel verwendet wird.

  1. Mehrwertsteuerliche Beurteilung

Bei der Investition in Token fehlt es an der Einräumung eines verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes. Es liegt keine Leistung im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes vor, sondern eine Form der Kapitaleinlage in ein Unternehmen. Die bei der Ausgabe von Token vereinnahmten Mittel sind in diesem Fall als Nicht-Entgelte zu qualifizieren, d.h. die Mittelflüsse unterliegen nicht der Mehrwertsteuer (Art. 18 Abs. 2 MWSTG).

Wird im Zeitpunkt des ICO ausnahmsweise ein spezifisches und genau bestimmtes Recht auf Lieferung eines Produktes oder Erbringung einer Dienstleistung eingeräumt, könnte die Herausgabe der Token im konkreten Einzelfall zu einer entsprechenden Mehrwertsteuerbelastung führen, abhängig davon, wie die Gesamtleistung zusammengesetzt ist. Aufgrund der unterschiedlichen mehrwertsteuerlichen Behandlung je nach Ausgestaltung muss jeder ICO gestützt auf die gewährten Nutzungsfunktionen individuell und detailliert nach dem allgemeinen mehrwertsteuerlichen Prüfschema beurteilt werden: Wie ist die gesamte Leistung zusammengesetzt? Handelt es sich um Lieferungen oder Dienstleistungen? Wo befindet sich der Ort der Leistung? Sind die einzelnen Leistungen steuerbar oder steuerausgenommen? Werden diese selbständig behandelt oder als Kombination, Gesamtleistung oder Haupt- und Nebenleistung qualifiziert? Ist bzw. wird der Verkäufer/Herausgeber überhaupt subjektiv steuerpflichtig?

  1. Bezahlung mit Kryptowährungen

    1. Generell

Nach dem ICO wird eine Softwarelösung in Form einer Plattform entwickelt bzw. programmiert, auf welcher die herausgegebenen Token eingesetzt werden können. Wer Token besitzt, kann ein bestimmtes Produkt erwerben oder eine Dienstleistung beziehen. So ist es beispielsweise seit 2016 möglich, mit Bitcoins Fahrkarten an einigen Billettautomaten der SBB zu beziehen oder bei der Einwohnerkontrolle der Stadt Zug die Gebühr für eine Wohnsitzbescheinigung zu bezahlen.

Wer Produkte oder Dienstleistungen verkauft, hat das Entgelt grundsätzlich zu versteuern. Das Entgelt wird definiert als Vermögenswert, den der Leistungsempfänger für den Erhalt der Leistung aufwendet (Art. 3 lit. f MWSTG). Bei Tauschverhältnissen, bei welchen eine Leistung vollumfänglich durch eine Gegenleistung getilgt wird, gilt der Marktwert jeder Leistung als Entgelt für die andere Leistung (Art. 24 Abs. 3 MWSTG). Bei Tauschgeschäften haben beide Vertragspartner den vollen Wert der eigenen Leistung als Umsatz zu deklarieren und mehrwertsteuerlich zu würdigen. Ein Tauschgeschäft sollte bei der Bezahlung mit einer Kryptowährung nur ausnahmsweise vorliegen, da Token in den meisten Fällen als Zahlungsmittel (und damit eben nicht als Gegenleistung im Tauschverhältnis) qualifizieren.

  1. Mehrwertsteuerliche Implikationen

Die Mehrwertsteuerabrechnung bzw. die Berechnung der Steuer ist zwingend in der Landeswährung CHF vorzunehmen. Für Entgelte in ausländischer Währung sieht die Mehrwertsteuerverordnung vor, dass die steuerpflichtige Person wahlweise auf den von der ESTV veröffentlichten Monatsmittelkurs oder den Devisen-Tageskurs (Verkauf) abstellen kann (Art. 45 Abs. 3 MWSTV). Konzerngesellschaften steht zusätzlich der Konzernumrechnungskurs zur Wahl (Art. 45 Abs. 4 MWSTV). Wie soll nun die Umrechnung der Kryptowährung in CHF erfolgen? Zur Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer sind Entgelte in ausländischer Währung im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung in CHF umzurechnen (Art. 45 Abs. 1 MWSTV). Die Steuerforderung entsteht grundsätzlich (d.h. bei der Abrechnung nach vereinbarten Entgelten) im Zeitpunkt der Rechnungsstellung bzw. des (Kauf-/Dienstleistungs-)Vertragsabschlusses (Art. 40 Abs. 1 MWSTG). In analoger Anwendung dieser Bestimmungen müsste ein Umsatz in Kryptowährung zum Kurs der virtuellen Währung im erwähnten Zeitpunkt umgerechnet werden.

  1. Handel mit Kryptowährung

    1. Generell

Investoren mit spekulativem Hintergrund setzen darauf, dass das Endprodukt grossen Erfolg hat und die Nachfrage nach den Token stark ansteigt. Sie setzen die Kryptowährung nicht zum Produkt- oder Dienstleistungsbezug ein, sondern kaufen und verkaufen die Token.

  1. Mehrwertsteuerliche Implikationen

Qualifiziert die Kryptowährung als Geldmittel, ist der Verkauf von Token in Anwendung des Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG als Umsatz im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs von der Steuer auszunehmen.  Der Umtausch von einem (virtuellen) Zahlungsmittel zu einem anderen (gesetzlichen) Zahlungsmittel unterliegt nicht der Mehrwertsteuer.

  1. Mining – Das Mieten / Vermieten von Rechenkapazität

    1. Generell

Kryptowährungen sind nicht nur für Investoren und Spekulanten interessant. Für viele Unternehmer ist es profitabel, Kryptowährungen durch das sog. Mining selber zu schaffen. Kryptowährungen basieren auf einem dezentralen Peer-to-Peer System bzw. auf der Schaffung von Werteinheiten in einem in sich abgeschlossenen Netzwerk der Nutzer.  Dies bedeutet, dass alle Transaktionen über das Internet mit Hilfe zahlreicher Rechner in einer dezentralen Datenbank – der sog. Blockchain – aneinander gekettet werden. Die Daten werden in der Blockchain kryptografisch verschlüsselt, um diese zu schützen und sicherzustellen, dass ein Token nicht mehrfach ausgegeben wird. Mit jeder Transaktion wird der Rechenaufwand immer grösser. Hier kommen die sog. Miner ins Spiel, die ihre Rechenleistung zur Verarbeitung der Transaktionen zur Verfügung stellen. Dieses sog. Mining wird mit neu generierten Token entlohnt. Bei Bitcoins funktioniert das Mining inzwischen mehrheitlich über sog. Pools, in denen sich zahlreiche Anwender zusammenschliessen und die erworbenen Tokens geteilt werden. Neben dem Pool-Mining gibt es das Solo-Mining, bei welchem die Nutzer ein Clientprogramm installieren, um sich mit dem Währungsnetzwerk zu verbinden.

  1. Mehrwertsteuerliche Beurteilung

Bezüglich mehrwertsteuerlicher Qualifikation des Minings herrscht grosse Rechtsunsicherheit. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat noch keine Position dazu bezogen. Zudem sind klare Meinungen diesbezüglich in der Literatur und Rechtsprechung spärlich vorhanden. Ein Hinweis findet sich zumindest im nahen Ausland – so hat das Bundesministerium für Finanzen in Österreich im Juli 2017 gestützt auf den EuGH-Entscheid zum Bitcoin (vgl. EuGH-Urteil vom 22.10.2015, C-264/14 – Hedqvist) entschieden, dass Mining mangels identifizierbarem Leistungsempfänger" nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Aus Sicht der Schweizer Mehrwertsteuer ist grundsätzlich steuerpflichtig, wer ein Unternehmen betreibt (Art. 10 Abs. 1 MWSTG). Ein Unternehmen betreibt, wer eine auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig ausübt und unter eigenem Namen nach aussen auftritt. Beim Aussenauftritt unter eigenem Namen wird vorausgesetzt, dass vertragliche Verpflichtungen gegenüber Leistungsempfängern durch den Leistungserbringer erkennbar selbstständig eingegangen werden. Ist ein Miner nun unternehmerisch tätig? In Anlehnung an die österreichische Sichtweise besteht auch in der Schweiz das Problem, dass der Leistungsempfänger nicht identifizierbar ist, vertragliche Verpflichtungen demnach nicht nachgewiesen werden können und damit ein Aussenauftritt unter eigenem Namen fehlt. Zudem erfordert die unternehmerische Tätigkeit eine Leistung, die – wie weiter oben beschrieben – als Einräumung eines verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes an eine Drittperson in Erwartung eines Entgelts definiert wird. Auch hier mangelt es wiederum an der Identifikation des Dritten bzw. des Leistungsempfängers. Eine unternehmerische Tätigkeit aus Sicht der Mehrwertsteuer kann beim Mining somit nicht bejaht werden, womit die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht nicht gegeben sind.

  1. ESTV – Quo vadis?

Viele mehrwertsteuerliche Fragen rund um Kryptowährung sind noch unbeantwortet. Langsam zeichnet sich zwar ab, in welche Richtung es gehen wird. Eine baldige Regulierung wäre tatsächlich wünschenswert, um Rechtssicherheit zu erhalten. Bei der ESTV liegen gegenwärtig viele schriftliche Eingaben zu dieser Thematik und den beschriebenen Umsatzarten vor, die einige verwaltungsinterne Abklärungen und Entscheide nötig machen. Eine schriftliche Stellungnahme seitens der ESTV wurde bereits erarbeitet, jedoch wäre sie noch nicht spruchreif. Wir hoffen, dass die ESTV eine Anleitung zur mehrwertsteuerlichen Behandlung der vielfältigen Umsätze im Zusammenhang mit Kryptowährungen und den nötigen Voraussetzungen bis spätestens Mitte Jahr herausgeben wird.

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