Eine Kommentierung des Entscheids des Bundesgerichts vom 15. März 2019 2C_703/2017.

Einleitung

Bei erfolgreichen Unternehmensverkäufen sind Zahlungen des Verkäufers an ausgewählte Mitarbeitende häufig anzutreffen1 und stellen die Beteiligten vor diverse steuerliche Fragen: Handelt es sich um Lohn oder eine Schenkung? Wenn die Zahlung von der Zielgesellschaft (Arbeitgeberin) getragen wird, stellt sich die Frage, ob der Aufwand geschäftsmässig begründet oder eine geldwerte Leistung (zugunsten des Verkäufers / Aktionärs) darstellt. In beiden Fällen sind die sozialversicherungsrechtliche Behandlung wie auch die praktische Abwicklung (z.B. über die Lohnabrechnung der Arbeitgeberin) zu klären.

Die einkommenssteuerliche Beurteilung einer Zahlung des Verkäufers und Alleinaktionärs war Gegenstand eines Bundesgerichtsurteils vom 15. März 2019 (2C_703/2017).

Sachverhalt

Der Alleinaktionär der D. AG, die sämtliche Anteile an der E. AG hielt, verkaufte Ende 2010 seine Aktien an der D. AG und entrichtete ab 2010 Zahlungen aus seinem Privatvermögen unter der Bezeichnung «Dienstaltersgeschenke» an die Kläger (Ehepaar und beide Mitarbeiter der E. AG). Die Kläger deklarierten die Zuwendung von CHF 32'250 als steuerfreie Schenkung. Das kantonale Steueramt Aargau qualifizierte die Zahlung dagegen als steuerbares Einkommen. Diese Qualifikation wurde im Einspracheverfahren, vor dem Spezialverwaltungsgericht Aargau, dem Verwaltungsgericht Aargau sowie zuletzt auch vom Bundesgericht geschützt.

Begründung

Das Bundesgericht stützt sich zunächst auf die Generalklausel des Einkommensbegriffs (Art. 16 Abs. 1 DBG2, Art. 7 Abs. 1 StHG3) und statuiert, dass die streitigen Zuwendungen von der Generalklausel unabhängig von ihrer Einordnung als Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erfasst sind (E.3.1). Entscheidend sei einzig, ob eine Befreiung – hier als Schenkung – nach Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG bzw. Art. 24 lit. a DBG in Betracht kommt.

Auch die Zahlung von Dritten (d.h. nicht der Arbeitgeberin) kann steuerbares Einkommen darstellen. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach Zuwendungen Dritter im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis immer steuerbares Einkommen seien, falls der Konnex zum Arbeitsverhältnis genügend eng sei, lehnt das Bundesgericht in dieser absoluten Form jedoch ab.

Die Steuerbarkeit trifft nur zu, wenn zwischen der Leistung, die die steuerpflichtige Person von Dritten erhält, und deren Tätigkeit ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht; das heisst, dass die Leistung die Folge der Tätigkeit ist und die steuerpflichtige Person die Leistung im Hinblick auf ihre Tätigkeit erhält. Das Bundesgericht nimmt hier eine Abgrenzung, z.B. zu Zuwendungen von Arbeitskollegen zum Abschied eines Kollegen oder Trinkgeldern, die keinen wesentlichen Teil des Lohns ausmachen, vor (E.3.2.3). Vorliegend spricht jedoch die Stellung des Alleinaktionärs («wirtschaftlich der ehemalige Arbeitgeber») dafür, dass die Zuwendung nicht gegenleistungslos als Schenkung erfolgte, sondern wenn auch nicht die Arbeitsleistung, so doch zumindest die Treue bzw. langjährige Mitarbeit entschädigt, die sich auch im Wert des Unternehmens für den Verkäufer niedergeschlagen hat (E. 3.3.5). Dass die Zahlung ohne Verpflichtung vorgenommen wurde, spricht allein noch nicht für eine Schenkung, da Art. 17 Abs. 1 DBG ausdrücklich auch Dienstalters- und Jubiläumsgeschenke erfasst, d.h. Leistungen, auf die kein arbeitsvertraglicher Anspruch besteht (E.3.3.4).

Würdigung

Wie schon in früheren Fällen wurde eine Schenkung bei Zuwendungen an Mitarbeitende durch den Aktionär verneint.4 Ein Konnex zwischen der Arbeitstätigkeit der Mitarbeitenden und der Zahlung durch den Verkäufer/Aktionär dürfte – wie vorliegend – regelmässig gegeben sein. Ein Konnex kann auch direkt zur Arbeitgeberin bestehen, wenn diese eine Zahlung an Mitarbeitende z.B. für besonderen Einsatz aufgrund der Zusatzbelastung des Verkaufsprozesses, aus Retentionsgründen oder zur Motivation für den zukünftigen Einsatz (unter dem neuen Eigentümer) leistet.

Hier ist die Abgrenzung zwischen Zahlungen im Interesse der Arbeitgeberin, bei der diese Zahlungen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen, und dem Interesse des Verkäufers an einem möglichst hohen Kaufpreis bzw. erfolgreichen Verkauf in der Praxis oft nicht einfach. Die Steuerfolgen einer geldwerten Leistung durch die Arbeitgeberin zugunsten des Aktionärs sind jedoch erheblich (und auch für den Käufer wirtschaftlich relevant):

" kein abzugsfähiger Aufwand bei der Arbeitgeberin,

" Verrechnungssteuer bei der Arbeitgeberin und

" Besteuerung beim Aktionär als verdeckte Gewinnausschüttung mit dem Risiko, dass dieser die Verrechnungssteuer mangels Deklaration nicht zurückfordern kann.5

Bei Zahlungen durch den Verkäufer selbst (anstelle der Arbeitgeberin) stellt sich zwar diese Problematik nicht, jedoch betrifft die Arbeitgeberin die Frage der korrekten Deklaration im Lohnausweis und der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung. Die Aussage des Bundesgerichts (E.3.1 «Steuerrechtliche Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit können auch dann vorliegen, wenn AHV-rechtlich keine Beiträge zu erheben sind») darf hier nicht in falscher Sicherheit wiegen, dass keine AHV-Pflicht besteht. Die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML 2019) führt aus, dass es nicht von Bedeutung sei, ob das Entgelt von der Arbeitgeberin oder von Drittpersonen ausgerichtet wird.6 In der WML 2019 wird zudem erläutert, dass nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit zum massgebenden Lohn gehört, sondern grundsätzlich jeder Bezug des Arbeitnehmers, der wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, gleichgültig, ob dieses Verhältnis beendet wurde oder ob die Leistungen freiwillig erfolgen.7 Gemäss der WML 2019 kann somit durchaus – was nicht Gegenstand des Verfahrens war – eine AHV-Beitragspflicht in Bezug auf die Zuwendungen von dritter Seite bestehen.

Footnotes

01 vgl. z.B.  https://www.blick.ch/news/wirtschaft/nach-gegluecktem-boersengang-von-stadler-rail-peter-spuhler-zahlt-seinen-bueezern-25-millionen-franken-id15347608.html (abgerufen am 14.07.2019).

02 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer; SR 642.11.

03 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden; SR 642.14.

04 vgl. Verwaltungsgericht Aargau, 29.3.2007, StE B 22.1 Nr. 5.

05 vgl. IFF Seminar  zur Unternehmensbesteuerung 2016, Cédric Hofer / Susanne Schreiber, Steuerfolgen indirekter Entreicherung von Unternehmen, Fall 6: Direktbegünstigung an Verkäufer.

06 WML 2019, Rz. 1016.

07 WML 2019, Rz. 1008.

Originally Publish by ZSIS

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