Das Bundesgericht bejahte die Rechtmässigkeit einer fristlosen Kündigung, welche von einem Hotelbetrieb gegenüber einem für das Küchenpersonal verantwortlichen Mitarbeiter ausgesprochen wurde. Dieser hatte gegenüber weiblichen Küchenange-stellten sexuell anzügliche resp. unangemessene Bemerkungen und Gesten gemacht.

Dem französischsprachigen Urteil des Bundesgerichts vom 10. Oktober 2018 (4A_105/2018) lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Z war seit 1. Januar 1982 als Koch sowie seit 1. Januar 2001 als Leiter der Abteilung Küche im Hotelbereich bei Arbeitgeberin A angestellt, welche in der Hotelbran-che tätig ist. Als Küchenverantwortlicher unterstand ihm auch die Lehrlingsausbildung. Am 28. August 2013 meldete ein weiblicher Lehrling, dass sie seit 2010 Ziel mehrerer unangemessener Gesten und Bemerkungen durch Z sei. Am folgenden Tag führte die Arbeitgeberin A Befragungen mit mehreren Mitarbeitern durch, um sich über die Vorwürfe ein Bild zu machen. Am 2. Sep-tember 2013 kündigte Arbeitgeberin A das Anstellungs-verhältnis mit Z fristlos. Zur Begründung der Kündigung wurde in erster Linie angeführt, dass Z über einen län-geren Zeitraum bei zahlreichen Gelegenheiten unange-messene Worte geäussert und Gesten gegenüber weiblichen Mitarbeitern gemacht habe.

Das von Z angerufene Arbeitsgericht (Tribunal des prud'hommes de l'arrondissement de la Sarine) stellte sich auf den Standpunkt, dass die fristlose Kündigung zu Unrecht erfolgt war. Das Kantonsgericht Freiburg stützte diese Auffassung. Es führte aus, dass die Vor-würfe der weiblichen Lehrlingsangestellten gegenüber Z zwar erheblich und begründet seien. So habe Z weib-liche Lehrlinge in der Küche etwa «kleiner Liebling» oder «kleines Schweinchen» genannt, sie gebeten, auf allen vieren zu kriechen, ihnen Küsse gegeben und sie an der Wange gestreichelt. Allerdings würden diese Umstände für eine fristlose Kündigung nicht ausrei-chen. Selbst unter Berücksichtigung weiterer erhobener Vorwürfe unangemessener Handlungen – welche von der Erstinstanz offenbar nicht untersucht worden waren – sei zu berücksichtigen, dass Z rund dreissig Jahre bei A angestellt gewesen sei, ohne grössere Probleme zu verursachen. Es sei daher nicht auszuschliessen, dass eine Verwarnung ausgereicht hätte, um Z von weiteren derartigen Handlungen abzuhalten.

Das Bundesgericht erinnerte in seinem Urteil einleitend daran, dass eine fristlose Kündigung nur aus «wichti-gem Grund» im Sinne von Art. 337 OR zulässig sei. Ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 337 OR müsse ob-jektiv derart schwerwiegend sein, dass das für das Ar-beitsverhältnis wesentliche Vertrauensverhältnis zer-stört oder zumindest so wesentlich beeinträchtigt sei, dass das Arbeitsverhältnis vernünftigerweise nicht mehr fortgesetzt werden könne. Bei Belästigung am Ar-beitsplatz gelte das Vertrauensverhältnis grundsätzlich als zerstört oder wesentlich beeinträchtigt, wenn es sich bei der belästigenden Person um eine Führungs-kraft handle, welche im Betrieb zumindest über einen gewissen Einfluss verfüge. Bei einer weniger schwer-wiegenden Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnis-ses sei eine fristlose Kündigung nur dann berechtigt, wenn das unangebrachte Verhalten nach einer Abmah-nung wiederholt werde.

Für die Beurteilung, ob das vorgeworfene Verhalten die erforderliche Schwere für eine fristlose Kündigung er-reiche, sei auf die Umstände des Einzelfalls abzustel-len. Der Entscheid liege im Ermessen des Richters, welcher folgende Beurteilungskriterien zu berücksichti-gen habe: Die Stellung des Mitarbeiters im Unterneh-men; Art und Dauer des Vertragsverhältnisses; Art und Ausmass der Verstösse; Position, Funktion und Verant-wortung des Mitarbeiters im Unternehmen, welche zu erhöhten Loyalitätspflichten führen können; sowie schliesslich die verbleibende Zeit bis zum ordentlichen Ablauf des Vertrages.

Das Bundesgericht hielt in der Folge dafür, dass die Begründung der Vorinstanz mit Art. 337 OR nicht ver-einbar sei. Es zählte gewisse Handlungen von Z auf – Kneifen und Hände auf Gesäss und Hüfte von weibli-chen Mitarbeiterinnen legen; Bisse an Hals; Vorbringen von Reisevorschlägen, um die sexuelle Bereitschaft der angesprochenen Mitarbeiterinnen zu testen – und hielt fest, dass Handlungen und Bemerkungen in der von Z vorgenommenen Art die Würde der betroffenen Mitar-beiterinnen eindeutig verletzten und unter die Definition der sexuellen Belästigung gemäss Art. 4 des Gleich-stellungsgesetzes fallen würden.

Die von der Vorinstanz vorgebrachte Argumentation, wonach im Betrieb generell eine familiäre Atmosphäre geherrscht habe und dass sich die Lehrlinge deutlicher hätten zur Wehr setzen sollen, wies das Bundesgericht als nicht entscheidend bzw. als «seltsame Begrün-dung» zurück. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin of-fenbar bereits über einen längeren Zeitraum über die sexuellen Belästigungen von Z informiert gewesen und dagegen nicht eingeschritten sei, werfe die Frage auf, inwieweit sie ihrer Pflicht nachgekommen sei, die Per-sönlichkeit ihrer Angestellten zu schützen (Art. 328 OR). Die Beantwortung dieser Frage könne indes of-fenbleiben, da die Tatsache, dass eine Arbeitgeberin in der Vergangenheit bestimmte Angriffe auf die Persön-lichkeit ihrer Angestellten ignoriert habe, sie nicht daran hindern könne, bei erneuten Verfehlungen nicht doch eine fristlose Kündigung gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter auszusprechen.

Das Bundesgericht erachtete die Begründetheit der fristlosen Kündigung im vorliegenden Fall als offen-sichtlich. Es erinnerte in diesem Kontext auch daran, dass bei der Prüfung der Rechtmässigkeit einer fristlo-sen Kündigung stets die Umstände des konkreten Ein-zelfalls massgebend seien. Auf andere Gerichtsent-scheide sei daher – entgegen der Vorinstanz – im Rah-men dieser Prüfung nur zurückhaltend zurückzugreifen.

Abschliessend erinnerte das Bundesgericht daran, dass bei Führungspersonen erhöhte Anforderungen an deren Loyalitätspflichten gelten würden. Diese erhöhte Loyalitätspflicht gelte nicht nur für Arbeitnehmer mit entsprechendem Führungsstatus, sondern allgemein für Kaderangehörige, welche wie im vorliegenden Fall Personalverantwortung innehätten.

Entsprechend erachtete das Bundesgericht die gegen Z ausgesprochene fristlose Kündigung als rechtmässig und mit Art. 337 OR vereinbar

KOMMENTAR

Der vorliegende Bundesgerichtsentscheid zeigt in begrüssenswerter Weise, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht zu tolerieren ist und vom Arbeitgeber unter Umständen mittels einer fristlos ausgesprochenen Kündigung geahndet werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorgeworfenen Handlungen eine entsprechende Schwere aufweisen, von einer Person mit Führungsfunktion im Unternehmen vorgenommen worden sind und die Vorwürfe sich nach einer durchgeführten internen Untersuchung (in welcher dem betroffenen Mitarbeiter das rechtliche Gehör zu gewähren ist) bestätigen lassen.

Im vorliegend besprochenen Entscheid hat das Bundesgericht in diesem Sinne aufgrund von sexistisch konnotierten Handlungen und Aussagen eines Angestellten mit Führungs-verantwortung entschieden, die von einer solchen Schwere waren, dass jeder andere Entscheid nur erstaunt hätte. Zu Verwunderung Anlass gibt in casu - wenn überhaupt – einzig der Umstand, dass nicht bereits die kantonalen Instanzen die gegenüber Mitarbeiter Z ausgesprochene fristlose Kündigung geschützt haben.

Der im fraglichen Entscheid mehrfach getätigte Hinweis des Bundesgerichts auf die für Angestellte mit Führungsfunktionen geltende höhere Loyalitätspflicht (i.S. der Treuepflicht gemäss Art. 321a Abs. 1 OR) kann im Übrigen durchaus in dem Sinne verstanden werden, dass gegenüber solchen Angestellten auch dann eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann, wenn von ihnen begangene sexuelle Belästigungen weniger schwerwiegend sind als im vorliegenden Fall. Letztlich entscheidend sind aber – auch dies hat das Bundesgericht in aller Deutlichkeit festgehalten – stets die konkreten Umstände des Einzelfalls.

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