2016 wurden in Russland hunderte Unternehmen mit Geldbußen wegen Korruptionsdelikten belegt. Nur die wenigsten Unternehmen konnten durch den Nachweis hinreichender Maßnahmen zur Korruptionsvermeidung eine Befreiung von der Geldbuße erreichen. Im Übrigen untersuchen russische Staatsanwaltschaften derzeit auch ohne konkreten Anlass, ob Unternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Compliance-Maßnahmen durchführen. Ist dies nicht der Fall, erheben sie Klage auf Durchführung der Maßnahmen. Auch ausländische Unternehmen könnten zunehmend in den Fokus russischer Staatsanwaltschaften geraten. Denn 2016 sind in der Russischen Föderation Gesetzesänderungen zur exterritorialen Zuständigkeit bei der Strafverfolgung ausländischer Unternehmen in Kraft getreten. Zudem wurde die Strafbarkeit der Bestechung im privaten Sektor erweitert. Auch die Bekämpfung von Geldwäsche hat sich der russische Gesetzgeber auf die Fahne geschrieben: Aufgrund von Änderungen des Geldwäschegesetzes sind russische juristische Personen nun zur jährlichen Offenlegung ihrer Eigentümerstrukturen verpflichtet.

Korruptionsverfahren

Nach Angaben der russischen Generalstaatsanwaltschaft wurden allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 380 Verfahren gegen juristische Personen wegen Korruptionsdelikten geführt. Konkret warfen die Behörden den Unternehmen eine sog. rechtswidrige Vergütung im Namen bzw. im Interesse der juristischen Person gem. Artikel 19.28 des russ. Ordnungswidrigkeitengesetzes vor. Den meisten Verfahren lag die korruptive Geldzahlung an Staatsbedienstete oder Angestellte privater Unternehmen zugrunde. Die Verfahren richteten sich überwiegend gegen rein russische Unternehmen, zum Teil waren jedoch auch die russischen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen betroffen.

Nach dem russ. Ordnungswidrigkeitengesetz können, abhängig von der Höhe der Bestechungssumme, Geldbußen bis zu RUB 100 Mio. (ca. USD 1.7 Mio.) oder dem Hundertfachen der Bestechungssumme verhängt werden.

Befreiung von Geldbuße durch Compliance-Maßnahmen

Um eine juristische Person gemäß Artikel 19.28 des russ. Ordnungswidrigkeitengesetzes mit einer Geldbuße belegen zu können, muss ihr die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass sie nicht sämtliche zur Vermeidung der Korruptionshandlungen ihrer Angestellten oder Vertreter erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat.

Seit seiner Einführung im Jahr 2013 gehört dazu auch der verbindliche Katalog in Artikel 13.3 des russ. Korruptionsbekämpfungsgesetzes, der folgende Maßnahmen vorsieht:

  • Einrichtung einer Compliance-Abteilung bzw. Bestimmung von Compliance-Beauftragten
  • Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden
  • Ausarbeitung und Einführung von Standards und Verfahren zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Tätigkeit
  • Erlass eines Ethik- und Verhaltenskodex für Arbeitnehmer
  • Vermeidung und Regelung von Interessenskonflikten
  • Verhinderung einer “inoffiziellen“ Buchführung und der Verwendung gefälschter Unterlagen

In der Praxis kam nur wenigen Unternehmen eine Haftungsbefreiung zugute, da die russischen Behörden und Gerichte hier strenge Maßstäbe anlegen. Unternehmen sollten ihre Compliance-Management-Systeme überprüfen und auf die gesteigerten Anforderungen ausrichten, falls sie Defizite feststellen. Dies gilt umso mehr, da Unternehmen in Russland verstärkt auf die Durchführung der vorstehenden Maßnahmen verklagt werden:

Klagen gegen Unternehmen auf Durchführung von Compliance-Maßnahmen

Unabhängig von Korruptionsermittlungen haben russische Staatsanwaltschaften 2016 aktiv Untersuchungen von Gesellschaften durchgeführt, um die Umsetzung der oben dargestellten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung gem. Artikel 13.3 des russ. Korruptionsbekämpfungsgesetzes zu prüfen. Dabei erstreckten die Behörden ihre Untersuchungen verstärkt auch auf russische Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen.

Im russischen Recht sind für den Fall der Nichtumsetzung der Maßnahmen keine direkten Sanktionen vorgesehen. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen zivilrechtliche Leistungsklagen gegen die Gesellschaften “im Interesse einer unbestimmten Anzahl von Personen“ erhoben. Diese Klagen wurden von den Gerichten auch angenommen und endeten überwiegend mit einer Verurteilung der Gesellschaft zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist (normalerweise ein Monat).

Exterritoriale Zuständigkeit

Seit März 2016 können russische Strafverfolgungsbehörden gegen ausländische juristische Personen auch wegen außerhalb Russlands begangener Korruptionsdelikte ermitteln. Voraussetzung der exterritorialen Strafverfolgung ist jedoch, dass sich das Delikt gegen die Interessen der Russischen Föderation richtet.

In der Nationalen Sicherheitsstrategie der Russischen Föderation werden die nationalen Interessen nur vage als “Gesamtheit der inneren und äußeren Bedürfnisse des russischen Staats zur Gewährleistung seiner Sicherheit und der nachhaltigen Entwicklung seiner Identität, Gesellschaft und Nation“ definiert. Auf Grundlage dieser vagen Definition ließe sich theoretisch für jedes ausländische Korruptionsdelikt mit russischem Berührungspunkt ein Strafverfolgungsinteresse begründen.

Das Risiko unbegründeter Ermittlungen wird jedoch in einem gewissen Umfang durch das Verbot der Doppelverfolgung verringert: Eine russische Zuständigkeit ist nur dann gegeben, wenn das ausländische Unternehmen nicht in einem anderen Staat belangt wurde.

Schließung von Strafbarkeitslücken bei Korruption im privaten Sektor

Im Juli 2016 sind zudem Gesetzeslücken bei der Strafbarkeit von Bestechungsdelikten in Unternehmen geschlossen worden.

Es sind nunmehr auch Fälle strafbar, in denen der Vorteil nicht dem Vorteilsnehmer selbst, sondern einer von ihm benannten (natürlichen oder juristischen) Person gewährt wird.
Zudem wurde mit dem neuen Artikel 204.1 des russ. Strafgesetzbuches die Strafbarkeit der sog. Bestechungsvermittlung – einer gesondert geregelten Form der Beihilfe zur Bestechung – auf den privaten Sektor erstreckt. Bislang gab es diesen besonderen Straftatbestand nur bei der Bestechung von Staatsangestellten und Amtsträgern (gemäß Artikel 291.1 des russ. Strafgesetzbuches).

Offenlegung wirtschaftlicher Eigentümer

Durch im Dezember 2016 in Kraft getretene Änderungen des russ. Geldwäschegesetzes wird der Druck auf russische juristische Personen zur Feststellung ihrer wirtschaftlichen Eigentümer erhöht. Als wirtschaftliche Eigentümer gelten dabei alle natürliche Personen, die letztlich direkt oder indirekt (durch Dritte) über mehr als 25% der Anteile verfügen oder die Tätigkeit der juristischen Person kontrollieren können.

Jede juristische Person ist nun verpflichtet, alle verfügbaren Maßnahmen zu ergreifen, um – auch unter schwierigen Umständen – die Identität ihrer wirtschaftlichen Eigentümer festzustellen. Die erlangten Daten sind dem Föderalen Dienst für Finanzaufsicht und den Steuerbehörden auf Verlangen offenzulegen. Gesellschafter und anderweitig die juristische Person kontrollierende Personen sind verpflichtet, die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Daten der wirtschaftlichen Eigentümer müssen mindestens einmal jährlich aktualisiert und mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt werden. Verstöße gegen diese Verpflichtungen können mit Bußgeldern gegenüber der juristischen Person und ihren leitenden Angestellten geahndet werden.

In der Praxis können diese Änderungen die Überprüfung potentieller russischer Geschäftspartner (Stichwort: know your customer (KYC) due diligence) erleichtern, die derzeit oft an einer gewissen Abneigung gegen die Offenlegung der wirtschaftlichen Eigentümer scheitert.

Russische Banken sind bereits länger zur Offenlegung der Eigentümerstruktur ihrer Kunden gegenüber dem Föderalen Dienst für Finanzaufsicht verpflichtet. Entsprechende Nachfragen bei Bankkunden sind daher häufig. Die Kunden kommen dem auch regelmäßig nach, da die Bank andernfalls den Kontoführungsvertrag kündigen und ggf. einen Anspruch auf Vertragsstrafenzahlung sowie weitere vertragliche Rechte geltend machen kann.

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