Mit dem Ausbruch des Coronavirus in der Schweiz stellen sich für Unternehmen verschiedene rechtliche Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Gültigkeit und die Anpassung von Verträgen. Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit sind Massnahmen zur Verhinderung eines Konkurses gefragt. Der folgende Text gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte in diesem Zusammenhang.

1. Ausgangslage

Um den Ausbruch des Coronavirus (COVID-19) einzudämmen, haben die Behörden in Europa verschiedene Massnahmen ergriffen. In der Schweiz hat der Bundesrat gestützt auf die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus1 unter anderem angeordnet, dass öffentliche und private Veranstaltungen verboten sind (Art. 6 Abs. 1), öffentlich zugängliche Einrichtungen schliessen müssen (Art. 6 Abs. 2), Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen verboten sind (Art. 7c) und gewisse Personen/Arbeitnehmer zu Hause bleiben müssen (Art. 10b f.).

Für eine Vielzahl von Unternehmen in der Schweiz haben die Massnahmen des Bundesrats erheblichen Beeinträchtigungen und Einschränkungen zur Folge. In diesem Zusammenhang stellen sich unter anderem vertragsrechtliche und sanierungsrechtliche Fragen.

2. Vertragsrecht

2.1 Leistungsstörungen

In Deutschland wird offenbar gerade darüber diskutiert, ob Schuldner aufgrund der Corona-Krise ein generelles Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30. September 2020 erhalten sollen. In der Schweiz gilt jedoch weiterhin der Grundsatz pacta sunt servanda" – Verträge sind zu halten so wie sie geschlossen wurden.2 Hierzu bestehen jedoch gewisse Ausnahmen, welche im Folgenden erläutert werden.

Das Schweizer Recht regelt den Fall höhere Gewalt (Force Majeure) nicht ausdrücklich. Dennoch ist diese Figur in der Rechtsprechung anerkannt.3 Ob das Coronavirus und seine Auswirkungen als höhere Gewalt zu qualifizieren sind, kann nicht allgemein beurteilt werden. Vielmehr hängt vom jeweiligen Vertrag ab, ob dieser erstens eine Klausel über höhere Gewalt (oder eine ähnliche Klausel) enthält und zweitens, ob diese Bestimmung so ausgelegt werden kann, dass das Coronavirus darunter fällt. In einem solchen Fall kommen die in der Klausel vorgesehenen Folgen zur Anwendung.

Sofern ein Vertrag unter Schweizer Recht keine spezifischen Bestimmungen zu höherer Gewalt enthält, kommen die allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätze zur Anwendung. Die Schlechterfüllung von Verträgen (dazu gehört die mangelhafte Erfüllung und der Verzug) hat grundsätzlich Schadenersatzpflichten zur Folge (Art. 97 OR). Allerdings kann die Corona-Krise dazu führen, dass den Schuldner im konkreten Fall kein Verschulden an der Schlechterfüllung trifft, wenn er z.B. wegen Ausfuhrrestriktionen die bestellten Schutzmasken nicht liefern kann. In solchen Fällen sieht das Gesetz die Exkulpation des Schuldners von der Schadenersatzpflicht aufgrund fehlenden Verschuldens vor (z.B. Art. 97 Abs. 1, 103 Abs. 2, 106 Abs. 1 und 109 Abs. 2 OR). Ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, muss grundsätzlich für jeden Fall einzeln analysiert werden, da auch in Zeiten des Coronavirus andere Gründe für Leistungsstörungen in Frage kommen. Verzugszinsen für Geldschulden sind jedoch verschuldensunabhängig geschuldet (vgl. Art. 104 OR) und eine Exkulpation geschützt auf Unmöglichkeit (siehe im Folgenden) ist ebenfalls nicht möglich ("Geld muss man haben" 4 ).

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus ist der Fall der nachträglichen objektiven (m.a.W. von keiner Partei zu vertretenden) Unmöglichkeit (Art. 119 OR) von wesentlicher Bedeutung. Dies wäre zum Beispiel der Fall bei einer Veranstaltung, welche nun aufgrund eines behördlichen Veranstaltungsverbots nicht mehr durchgeführt werden kann. Rechtliche Folge davon ist, dass die Forderung des Leistungsempfängers auf Leistung erlischt (Art. 119 Abs. 1 OR) und der Leistungserbringer verpflichtet ist, die bereits (ganz oder teilweise) empfangene Gegenleistung (z.B. Anzahlung) zurückzuerstatten (Art. 119 Abs. 2 OR).

Es muss in jedem Fall überprüft werden, ob die Leistung tatsächlich objektiv unmöglich ist oder ob sich aufgrund veränderter äusserer Umstände (Coronavirus), die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B. Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung) verändert haben, welche eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Solche Konstellationen sind insbesondere bei Lieferketten (supply chains) denkbar (siehe im Folgenden).

2.2 Lieferketten (supply chains)

Es kann sein, dass der übliche Zulieferer eines Schweizer Produkteherstellers aufgrund von Handelsbeschränkungen nicht mehr liefern kann, während jedoch ein Konkurrent dies noch könnte. Ist eine solche Alternativbeschaffung nur noch mit unverhältnismässigem Aufwand möglich (z.B. aufgrund stark erhöhter Marktpreise), so kommt eine Befreiung des Produkteherstellers von der Leistungspflicht gestützt auf die sog. clausula rebus sic stantibus in Betracht. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen dafür im Einzelfall gegeben sind (keine Partei hat das Risiko veränderter Umstände gemäss Vertrag oder Gesetz zu tragen, keine Voraussehbarkeit der Veränderung der Umstände und grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung), kann das Gericht den Vertrag an die veränderten Umstände anpassen oder sogar auflösen.5

2.3 Dauerschuldverhältnisse, insbesondere Mietverträge

Dauerschuldverhältnisse können aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden.6 Ob die Corona-Krise einen wichtigen Grund darstellen, welche eine Kündigung rechtfertigen, muss im Einzelfall bestimmt werden.

Die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen können insbesondere auf eine Geschäftsraummiete nach Schweizer Recht erhebliche Auswirkungen haben, indem das Mietobjekt nicht mehr oder nur in eingeschränktem Masse vertragsgemäss benutzt werden kann (Anordnung der Schliessung öffentlich zugänglicher Einrichtungen). Bei Geschäftsmietverträgen dürfte eine Kündigung zulässig sein, wenn es zu längerfristigen Einbussen kommt und die Miete zu einer unerträglichen Last wird.7

Betreffend Mietzinsreduktion ist unseres Erachtens Art. 259d OR einschlägig, gemäss welcher Bestimmung der Mieter vom Vermieter verlangen kann, den Mietzins herabzusetzen, wenn die Tauglichkeit des Mietobjekts beeinträchtigt wird. Ob jedoch bei einer behördlich angeordneten Schliessung tatsächlich ein Mangel vorliegt, welcher zu einer Mietzinsreduktion berechtigt, ist rechtliches Neuland und in der Lehre umstritten.8 In jedem Fall muss der konkrete Mietvertrag studiert werden und sollte das Gespräch mit dem Vermieter gesucht werden.

Footnotes

1. Zu finden unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20200744/index.html (Stand 21. März 2020)

2. Vgl. z.B. Urteil (Bundesgericht) 4A_263/2019 vom 02.12.2019 E. 6.3

3. z.B. BGE 80 II 216, 220

4. Huguenin Claire, Obligationenrecht - Allgemeiner und Besonderer Teil, 3. Aufl., Zürich - Basel - Genf 2019, S. 264.

5. Schwenzer Ingeborg, Schweizerisches Obligationenrecht - Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Bern 2016, S. 279 f.

6. Huguenin Claire, Obligationenrecht - Allgemeiner und Besonderer Teil, 3. Aufl., Zürich - Basel - Genf 2019, S. 19.

7. Andrea Martel. Coronavirus: Müssen geschlossene Läden weiterhin Miete zahlen? NZZ, 18. März 2020.

8. Andrea Martel. Coronavirus: Müssen geschlossene Läden weiterhin Miete zahlen? NZZ, 18. März 2020.

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