Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers dahingehend, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder – im Fall der Übertragung – bis zum 31.03. des Folgejahres erlöschen, besteht bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern nicht. Diese Pflicht besteht erst wieder nach Genesung.

LAG Hamm, Urteil vom 24. Juli 2019, 5 Sa 676/19

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Urlaubsanspruchs der Klägerin aus dem Jahr 2017.

Die Klägerin erkrankte im Jahr 2017 und konnte so den ihr zustehenden Urlaubsanspruch nicht nehmen. Sie ist weiterhin arbeitsunfähig. Die Parteien stritten über den Umfang noch bestehender Urlaubsansprüche. Zuletzt beantragte die Klägerin vor Gericht Feststellung, dass ihr der Urlaub aus 2017 weiterhin zustehe. Sie war der Meinung, der Urlaub sei nicht verfallen, da die Beklagte sie nicht aufgefordert habe, den Jahresurlaub zu nehmen.

Dar Arbeitsgericht Paderborn hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Das LAG Hamm verneinte einen Feststellungsanspruch. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus 2017 sei am 31.03.2019 erloschen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngsten Rechtsprechung des EuGH und BAG. Danach ist der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Hierzu muss er ihn erforderlichenfalls auffordern, den Urlaub zu nehmen, und ihn rechtzeitig darauf hinweisen, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlischt.

Diese Grundsätze seien im Falle eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers aber nicht anwendbar. Eine Belehrung als Obliegenheit des Arbeitgebers ergebe nur dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer auch in der Lage sei, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies sei bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall.

Selbst wenn die Beklagte gegen Ende des Jahres 2017 noch nicht gewusst habe, wie lange die Arbeitsunfähigkeit andauern würde, bestand solange keine Belehrungspflicht, solange die Arbeitsunfähigkeit anhielt. Denn unabhängig von einer Belehrung habe ein Verfall von Urlaubsansprüchen zum 31.12. des Kalenderjahres nicht durch Unkenntnis der Arbeitnehmerin von einem drohenden Verfall und einer notwendigen Beantragung eintreten können. Eine Beantragung oder Erteilung des Urlaubs sei objektiv nicht möglich gewesen.

Eine Belehrung, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht zum 31.12. beansprucht werden, wäre im Fall der langzeiterkrankten Arbeitnehmerin überdies inhaltlich falsch. Diese erlöschen im Fall der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahres, aus dem sie resultieren. Die Frage eines Erlöschens schon zum Jahresende hätte sich somit erst nach einer Genesung der Klägerin noch vor diesem Zeitpunkt gestellt, einhergehend mit einer dann entstehenden Belehrungsobliegenheit der Beklagten. Im vorliegenden Fall wurde dies aufgrund der andauernden Erkrankung nicht relevant.

Praxistipp:

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Eine Belehrung über den Verfall von Urlaubsansprüchen während der andauernden Arbeitsunfähigkeit macht jedenfalls dann keinen Sinn, wenn das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar ist. Arbeitgeber sollten jedoch darauf achten, Mitarbeiter, die nach längerer Erkrankung an den Arbeitsplatz zurückkehren, möglichst zeitnah über die bestehenden Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall zu belehren.

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