Das BAG betont erneut die Wichtigkeit einer Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

BAG, Urteil v. 25.04.2018 – 2 AZR 611/17

Die klagende Arbeitnehmerin war seit 1991 bei der beklagten Sparkasse beschäftigt, zuletzt als Kassiererin. Am 27.05.2015 bestellte sie bei der Deutschen Bundesbank einen Betrag in Höhe von EUR 115.000,00 in Fünfzig-Euro-Scheinen. Bei Anlieferung am 28.05.2015 quittierte die Klägerin den Empfang der Lieferung und die Unversehrtheit der Plombe des Geldbehälters. Sie deponierte sodann den angelieferten Behälter im Kassenbereich und öffnete ihn anschließend allein. Etwa 20 Minuten später rief sie einen Kollegen und teilte ihm mit, sie habe in dem Behälter lediglich Babynahrung und Waschmittel gefunden.

Bei den danach angestellten Durchsuchungen der Kriminalpolizei fand diese in der Wohnung der Klägerin im Kleiderschrank einen Betrag in Höhe von EUR 2.900,00 sowie einige weitere kleine Beträge. In dem Bankschließfach der Klägerin fand die Kriminalpolizei Umschläge mit Beträgen von EUR 14.800,00, EUR 16.000,00 sowie weitere EUR 6.200,00, wobei festgestellt wurde, dass die Klägerin regelmäßig ab Juli 2015 ihr Bankschließfach aufgesucht und die Einzahlungen durchgeführt bzw. veranlasst habe. Nachdem die Beklagte die Klägerin am 07.04.2016 in einem Personalgespräch angehört hat, sprach sie am 19.04.2016 die außerordentliche und fristlose, hilfsweise außerordentliche mit Auslauffrist versehene Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Das BAG nahm den vorstehenden Sachverhalt zum Anlass, nochmals einige essentielle Grundsätze zum Ausspruch einer außerordentlichen Verdachtskündigung zu betonen, wenngleich es letztendlich in der Sache noch nicht entscheiden konnte, sondern die Angelegenheit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwies.

In seiner Entscheidung betont das BAG, dass es – anders als bei einer sog. Tatkündigung – Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung sei, dass der betroffene Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung ausreichend angehört wurde. Diesen Grundsatz leitet das BAG aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ab. Die so erforderliche Anhörung des Arbeitnehmers hat nach Auffassung des BAG im Rahmen der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen, wobei sich der jeweils erforderliche Umfang und die Ausgestaltung der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles zu richten hat. Dabei reicht es nach Auffassung des BAG allerdings nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit allgemein gehaltenen Wertungen konfrontiert. Vielmehr sei es erforderlich, dass der Arbeitnehmer bei der Anhörung erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält. Erforderlich ist dabei insbesondere eine Prüfung durch den Arbeitgeber, ob seiner Auffassung nach die bestehenden Indiztatsachen einen ausreichend dringenden Verdacht begründen.

Darüber hinaus weist das BAG darauf hin, dass hinsichtlich der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung die Frist erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die eine Entscheidung über die Fortsetzung oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Diese Ermittlungen hat der Arbeitgeber mit der gebotenen Eile durchzuführen, um sich so eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes zu verschaffen. Im Rahmen dieser Ermittlungen ist der Arbeitnehmer innerhalb einer kurzen Frist anzuhören, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden darf.

In diesem Zusammenhang weist das BAG allerdings auch darauf hin, dass der Arbeitnehmer den Fort- und Ausgang von Ermittlungs- und Strafverfahren abwarten kann und abhängig hiervon in deren Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen darf. Dem Arbeitgeber steht es frei, entweder eigene Ermittlungen anzustellen und/oder den Fort- oder Ausgang eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten.

Fazit:

Die neuerliche Entscheidung des BAG unterstreicht abermals die besondere Bedeutung der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung und zeigt auf, wie hiermit die Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB in Einklang zu bringen ist.

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