Der Betriebsrat hat kein zwingendes Mitbestimmungsrecht im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, sofern diese ausschließlich durch die ausländische Konzernobergesellschaft durchgeführt werden und die lokale Anstellungsgesellschaft allein bei der Durchführung des Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes mitwirkt.

LAG Hessen, Beschluss v. 03.08.2017 – 5 TaBV 23/17

Die Beteiligten streiten über die Frage, inwieweit der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat, sofern eine im Ausland ansässige Konzernobergesellschaft ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm durchführt und die lokale Anstellungsgesellschaft bei der Durchführung dieses Programmes mitwirkt. Der Arbeitgeber, eine deutsche Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns, dessen Führung in den USA beheimatet ist, wirkt bei der Ausführung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes seit mehreren Jahren mit. Das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm wird von der Konzernmutter aufgelegt. Die Muttergesellschaft entscheidet jedes Jahr aufs Neue, ob, in welchem Umfang und an welche Adressaten Aktienoptionen zugeteilt werden. In der Vergangenheit hat die deutsche Tochtergesellschaft hierzu Vorschläge unter-breitet. In den Anstellungsverträgen mit ihren Arbeitnehmern sind keine Regelungen über die Gewährung oder Verschaffung entsprechender Aktienoptionen enthalten.

2015 teilte die Konzernmutter im Rahmen des Gehaltsanpassungsprozesses für das Jahr 2015 mit, dass fort-an nur noch die Konzernmutter über die Zuteilung von Aktienoptionen entscheidet. Die deutsche Tochtergesellschaft wird hieran nicht mehr beteiligt. Ferner teilte die Konzernmutter der deutschen Tochtergesellschaft mit, in welchen Schritten die Entscheidung und finale Bestimmung der Zuteilung der Aktienoptionen erfolgt und dass die in Deutschland beschäftigten begünstigten Arbeitnehmer ein entsprechendes Informationsschreiben von der im Ausland ansässigen Leitung erhalten. Ein zusätzlich eingeschalteter externer Dienstleister würde sich an den begünstigten Arbeitnehmer wenden und ferner entsprechende Mitteilungen an die Gehaltsabrechnung der deutschen Tochtergesellschaft machen. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass ihm ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Auswahlentscheidung der begünstigten Mitarbeiter und hinsichtlich der Vergabekriterien zustehe. Außerdem sei es so, dass die lokale Tochtergesellschaft Arbeitnehmern im Rahmen von Einstellungsgesprächen oder im Rahmen von Beförderungsgesprächen mitteile, dass diese grundsätzlich zum Empfang von Aktienoptionen berechtigt seien und dem begünstigten Personenkreis angehören würden.

In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung geht das LAG Hessen davon aus, dass dem Betriebsrat kein entsprechendes Mitbestimmungsrecht zusteht. Nach Auffassung des Gerichts ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht einschlägig. Die Vorschrift verlange nämlich, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Gestaltungsspielraum zustehe; ist dies der Fall, sei das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates insoweit eröffnet. Sofern der Arbeitgeber selbst aber keine Gestaltungsmöglichkeit habe, sei das Mitbestimmungsrecht nicht eröffnet. Plakativ führt das LAG an der Stelle wie folgt aus: Wo für den Arbeitgeber nichts zu entscheiden ist, gibt es für den Betriebsrat nichts mitzubestimmen".

In der vorliegenden Konstellation stand der Tochtergesellschaft kein entsprechender Gestaltungsspielraum zu. Weder gewährte sie selbst die Aktienoptionen, noch ist der Gesellschaft durch die Konzernmutter ein Mit-sprache- oder Vorschlagsrecht eingeräumt worden. Auch die Tatsache, dass zu einem gewissen Grad an der Durchführung des Aktienprogrammes mitgewirkt wird, bewegte das LAG nicht zu einer anderen Auffassung. Eine bloße Mitwirkungsmöglichkeit gibt nämlich keine Einflussmöglichkeit auf die Ausgestaltung der Entgeltleistung. Selbst sofern die Tochtergesellschaft in der Vergangenheit entsprechende Zusagen im Rahmen von Einstellungsgesprächen oder im Rahmen von Beförderungsgesprächen tätigte, ändere dies nichts, da die Tochtergesellschaft die Aktienoptionen selbst nicht gewährt und somit keine Einflussmöglichkeit auf den entsprechenden Aktienoptionsvertrag habe.

Letztendlich verfing auch nicht die Auffassung des Betriebsrats, dass die Tochtergesellschaft sich etwaige Entscheidungen der Muttergesellschaften über die §§ 164 ff. BGB hätte zurechnen lassen müssen. Entscheidungsträger war nämlich die Muttergesellschaft und nicht die lokale Tochtergesellschaft, so dass eine Zurechnung einer Entscheidung nach den Vorstellungen des Betriebsrates nicht möglich war.

Folgen für die Praxis:

Die Entscheidung des LAG Hessen ist erfreulich und bietet eine gewisse Rechtssicherheit für Unternehmen. Langwierige und komplexe Rechtsstreitigkeiten, in deren Rahmen über die Wirksamkeit von ausländischen Regelungskomplexen, die typischerweise einem konzernweit ausgelegten Mitarbeiterbeteiligungsprogramm zugrunde liegen, können somit verhindert werden. Wichtig ist insoweit, dass bei der Ausgestaltung des Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes eine Beteiligung der deutschen Tochtergesellschaft, welche über die schlichte technische Abwicklung eines Beteiligungsprogrammes hinausgeht, ausgeklammert wird. Ferner dürfen die Anstellungsverträge keine entsprechenden Zusagen ausweisen.

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