Fortsetzung des IP Reports vom 24. August 2017 ( BGH zu Ausgleichsansprüchen unter Mitberechtigten an einem Patent (BGH, Urteil Sektionaltor II" vom 16. Mai 2017 – Az. X ZR 85/14))

Bei der Beurteilung, wann die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruchs dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit entspricht, sind auch die Gründe zu berücksichtigen, aus denen der Anspruchsteller von einer eigenen Nutzung der Erfindung abgesehen hat (vgl. BGH X ZR 85/14).

Neben dem Umfang der beiderseitigen Erfindungsbenutzung sowie der Größe der jeweiligen Erfindungsanteile ist bei grundsätzlicher struktureller Benutzungsfähigkeit zu fragen, ob die Eigennutzung im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren liegt.

Im Rahmen ind dabei insbesondere Prozess- und Haftungsrisiken in die Abwägung einzustellen.

Sachverhalt

Die itinhaber zweier Patente, wobei der Erfindungsanteil der Klägerin an den Patenten jeweils 5 % und der der Beklagten jeweils 95 % beträgt.

Im vorliegenden Verfahren beantragt die Klägerin die Zahlung eines Ausgleichsbetrags von der Beklagten für deren Nutzung der patentierten Erfindungen. Die Klägerin nutzt die Erfindungen selbst nicht.

Nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf zunächst festgestellt hatte, dass der Klägerin ein Ausgleichsanspruch zustehe, hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung der von ihm aufgestellten Grundsätze zurückverwiesen. Grund für die Zurückverweisung war unter anderem, dass nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs auch relevant sei, aus welchen Gründen der Mitinhaber von der eigenen Nutzung der patentierten Erfindungen abgesehen habe, wozu jedoch tatrichterliche Feststellungen fehlten.

Feststellungen des Gerichts

Anders als in seinem vorangegangenen Urteil stellt das Oberlandesgericht Düsseldorf nunmehr fest, dass der Klägerin Ausgleichsansprüche nicht zustehen und weist die Klage auf ab.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Billigkeitsentschädigung bestehe, seien zunächst der Umfang der beiderseitigen Erfindungsbenutzung sowie die Größe der jeweiligen Erfindungsanteile zu berücksichtigen. Diese beiden Kriterien könnten jedoch nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs nicht die alleine maßgebliche Beurteilungsgrundlage bilden. Bei grundsätzlich bestehender struktureller Benutzungsfähigkeit des nicht-nutzenden Mitinhabers müsse dieser vielmehr stichhaltige Gründe dafür angeben, weshalb er von einer Eigennutzung abgesehen habe. Dies gelte in besonderem Maße, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – die Erfindungsanteile erheblich unterschieden und der Beitrag des Ausgleichsfordernden nur sehr gering war. Denn grundsätzlich obliege es jedem Mitinhaber, vordringlich durch eigene Verwertungshandlungen seinen Ertrag aus der gemeinschaftlichen Erfindung zu ziehen. Gründe, die eine Nichtnutzung als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, könnten einerseits aus einer Unmöglichkeit oder auch aus einer Unzumutbarkeit der Eigennutzung resultieren.

Im Rahmen der Zumutbarkeit knüpft das Oberlandesgericht Düsseldorf an die Feststellung des Bundesgerichtshofs an. Dieser hatte entschieden, dass ein relevanter in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt sei, dass sich der nicht-nutzende Mitberechtigte bis zur Klärung seiner Mitinhaberschaft bei Nutzung der patentierten Erfindung dem Risiko einer Inanspruchnahme wegen Patentverletzung aussetze. Denn bis zur Klärung der Mitinhaberschaft seien Ansprüche wegen Patentverletzung aufgrund der formalen alleinigen Rechtsinhaberschaft des anderen Mitberechtigten nicht ausgeschlossen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellt klar, dass die Gefahr einer gerichtlichen Inanspruchnahme an sich noch keine hinreichende Rechtfertigung für die Nichtnutzung der Erfindung sei. Vielmehr analysiert es im Einzelnen das Maß des bestehenden Prozess- und Haftungsrisikos und berücksichtigt dabei insbesondere den Stand der Erteilungsverfahren sowie der anhängigen Vindikationsverfahren. Je größer die Erfolgsaussichten seien, eine Mitberechtigung nachweisen zu können, desto geringer sei das mit einer Eigennutzung verbundene Geschäftsrisiko und desto eher sei eine Eigennutzung zumutbar, mit der Folge das Ausgleichsansprüche des nicht-nutzenden Mitinhabers – so auch im vorliegenden Fall – ausschieden.

Weiter stellt das Oberlandesgericht Düsseldorf klar, dass produktstrategische Erwägungen (beispielsweise die Nichtnutzung der Erfindung wegen zwischenzeitlich verfügbarer verbesserter Technik) nicht per se relevant seien. Ein Billigkeitsausgleich komme in Betracht, wenn der nicht-nutzende Mitinhaber einen erheblichen (ggf. gleichrangigen) Erfindungsanteil habe und nennenswerte Geschäftsvorfälle und Erträge in Rede stünden. Habe der nicht-nutzende Mitinhaber hingegen – wie im vorliegenden Fall – nur einen geringen Erfindungsanteil, sei davon auszugehen, dass der Verkaufserfolg und die Umsätze des nutzenden Mitinhabers maßgeblich auf dessen überschießenden Erfindungsbeitrag zurückgingen, sodass ein Ausgleichsanspruch nicht der Billigkeit entspreche.

Bemerkungen

Mit der vorliegenden Entscheidung knüpft das Oberlandesgericht Düsseldorf an die vom Bundesgerichtshof zuvor aufgestellten Grundsätze an und füllt diese weiter aus. Dem Praktiker werden damit weitere konkrete Kriterien an die Hand gegeben, die im Einzelfall zu berücksichtigen sind.

Die Entscheidung bestätigt nochmals, dass von jedem Mitinhaber grundsätzlich erwartet wird, die Erfindung selbst zu verwerten und dabei auch notwendige und zumutbare Risiken einzugehen. Ein Mitinhaber darf sich nicht lediglich zurücklehnen, um anschließend an den Nutzungsbemühungen seines Mitinhabers zu partizipieren. Dabei wird insbesondere dem nicht-nutzenden Mitinhaber, dessen Erfindungsanteil gegenüber demjenigen des nutzenden Mitinhabers eher gering ist, ein erhöhter Begründungsaufwand dahingehend abverlangt, weshalb er von der Eigennutzung der Erfindung abgesehen hat, aber gleichwohl von den Nutzungsbemühungen des anderen Mitinhabers profitieren soll. Denn im Falle eines entsprechenden Ungleichgewichts der Erfindungsbeiträge ist davon auszugehen, dass der Geschäftserfolg des nutzenden Mitinhabers maßgeblich auf seinem überschießenden Erfindungsanteil beruht.

Erst wenn stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass für den nicht-nutzenden Mitinhaber hinsichtlich einer möglichen Eigennutzung die Grenze des Zumutbaren überschritten ist, kommt ein Ausgleichsanspruch in Betracht. Hierbei sind insbesondere die Prozess- und Haftungsrisiken zu beurteilen, denen sich die Mitinhaber durch eine Erfindungsnutzung aussetzen. 

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