Neues BFH-Urteil zu inländischen Betriebsstätten.

Für Immobilieninvestoren, die mit ausländischen Gesellschaften in deutsche Immobilien investieren, ergeben sich regelmäßig Unsicherheiten aus der Frage, ob Dienstleister (zB Asset- bzw. Property Manager) in Deutschland zu einer inländischen Betriebsstätte und damit zu einer Gewerbesteuerpfllicht in Deutschland z.B. für Mieterträge und Veräußerungsgewinne führen. Unsicherheiten hatten sich insbesondere aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2019 ergeben, das sehr strenge Maßstäbe angelegt hatte.

Der Bundesfinanzhof (BFH) konkretisiert in seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 23.03.2022, III R 35/20, die Anforderungen für die Annahme einer inländischen Betriebsstätte. Der BFH stellt klar, dass die Räumlichkeiten einer beauftragten Managementgesellschaft ohne entsprechende Verfügungsmacht nur in Ausnahmefällen, inbesondere bei identischer Organbesetzung der handelnden Personen oder der tatsächlichen, fortlaufenden Überwachung vor Ort durch den Auftraggeber, eine eigene Betriebsstätte des Auftraggebers begründen können.

Allerdings kann eine inländische (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte des Auftraggebers auch dann vorliegen, wenn aufgrund der Art und des Umfangs der übertragenen Tätigkeiten die tatsächliche Geschäftsleitung ganz oder teilweise von einen Dienstleister ausgeführt wird.

Die erfolgte Eingrenzung des zuletzt weiten Betriebsstättenverständnisses des FG Berlin-Brandenburg durch den BFH dürfte für mehr Rechtssicherheit für ausländische Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz sorgen. Die reine Möglichkeit der Überwachung des Dienstleisters sowie etwaige über die konkrete Dienstleistungsbeziehung hinausgehende wirtschaftliche Verflechtungen (ggf. mit verbundenen Unternehmen) sollten entsprechend noch nicht für die Annahme einer Betriebsstätte ausreichen. Fortlaufende Überwachungsmaßnahmen vor Ort sowie eine Identität der Leitungsorgane sind jedoch weiterhin zu vermeiden.

Für sog. Non-PE-Strukturen ist allerdings weiterhin zu beachten, dass die Übertragung von Management- und Verwaltungsdienstleistungen zu einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte führen kann. Leistungskataloge für Diensleistungsverträge sowie die in diesem Zusammenhang erteilte Vollmachten sollten deshalb auch vor diesem Hintergrund weiter sorgfältig ausgestaltet werden.

PROBLEMSTELLUNG

  • Ausländische Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz unterliegen der deutschen Gewerbesteuerpflicht nur, wenn sie gewerblich sind und eine Betriebsstätte im Inland unterhalten.
  • Eine Betriebsstätte erfordert grundsätzlich eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.
  • Eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte kann sich hingegen auch in den Geschätsräumen eines Dritten befinden und erfordert nicht notwendigerweise die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage.
  • Im Urteil der Voristanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. November 2019, 9 K 11108/17) wurden niedrige Hürden an die Begründung einer Betriebsstätte in den Räumen eines Dienstleisters gestellt. So sollte bereits ausreichen, dass der beauftragende Unternehmer die Tätigkeiten des Auftragnehmers vor Ort überwachen kann. Auch eine “enge wirtschaftliche Verflechtung” und “mehrjährige Geschäftsbeziehungen" zwischen dem beauftragenden Unternehmer und weiteren verbundenen Managementgesellschaft sollten demnach für eine inländische Betriebsstätte sprechen.
  • Aus Praxissicht hat die Auffassung des FG Berlin-Brandenburg zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt, da auch asset-bezogene Verwaltungsleistungen durch Dienstleister im Inland in den Fokus einer unerkannten Betriebsstättenbegründung gerückt sind.

KONKRETISIERUNG DER BETRIEBSSTÄTTENANFORDERUNGEN DURCH DEN BFH (URTEIL VOM 23.03.2022, III R 35/20)

OHNE VERFÜGUNSMACHT ÜBER RÄUMLICHKEITEN KANN NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN EINE BESTRIEBSSTÄTTE BEIM DIENSTLEISTER VORLIEGEN

  • Der BFH hat entschieden, dass durch Beauftragung einer Dienstleistungs-/Managementgesellschaft ohne Verfügungsmacht an deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des Auftraggebers nur begründet wird, wenn dieser am betreffenden Ort eigene unternehmerische Handlungen mit gewisser Nachhaltigkeit vornimmt.
  • Allein die Übertragung von umfassenden Aufgaben ohne die gleichzeitige Durchführung eigener betrieblicher Tätigkeiten vor Ort genügt hingegen nicht.
  • Eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort kann angenommen werden, wenn (i) tatsächliche, fortlaufende Überwachungsmaßnahmen vor Ort erfolgen oder (ii) eine Identität der Leitungsorgane besteht (insbes. bei personenidentischer Geschäftsführerbesetzung).

UMFANGREICHE VERWALTUNGSDIENSTLEISTUNGEN KÖNNEN JEDOCH ZUR ANNAHME EINER GESCHÄFTSLEITUNGSBETRIEBSSTÄTTE FÜHREN

  • Nach Festellung des BFH kann die umfangreiche Übertragung von Management- und Verwaltungsdienstleistungen jedoch zu einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte führen. Ähnlich hatte sich zuletzt auch das FG München positioniert (FG München, Beschluss vom 5. November 2020, 10 V 1479/20).
  • Maßgebendes Kriterium für Geschäftsleitungsmaßnahmen sind die sog. Tagesgeschäfte", die jeweils unternehmensindividuell zu bestimmen sind. In einer nicht abschließenden Aufzählung nennt der BFH als relevante Tätigkeiten die tatsächliche Vertretung gegenüber Banken, Finanzämtern und sonstigen Institutionen sowie uneingeschränkte Erlaubnis zu eigenständigen Abschlüssen und Kündigungen von Mietverträgen sowie Dienst- und Werkverträgen, Buchführung, Fertigung von Steuererklärungen und sonstige laufende Geschäftsvorfälle.
  • Liegen danach Anknüpfungspunkte für mehrere potenzielle Geschäftsleitungsbetriebsstätten vor, wäre zudem der Ort der geschäftlichen Oberleitung auf Basis einer Gewichtung der Bedeutung der in den einzelnen Betriebsstätten durchgeführten Maßnahmen zu bestimmen.
  • Liegt lediglich eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte vor oder liegt der Ort der geschäftlichen Oberleitung in Deutschland, wäre zu beachten, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen könnte. Gewinnausschüttungen könnten in der Folge einer deutschen Kapitalertragsteuerpflicht unterliegen.

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