In jeder Marktphase gibt es Finanzdienstleister, die einen Unternehmensverkauf oder einem Börsengang in Betracht ziehen. Viele dieser Finanzdienstleister sehen sich jedoch mit einer heiklen Frage konfrontiert: Welche Investoren interessieren sich überhaupt für uns, wenn Aufsichtsbehörden, Sonderprüfer und schwebende Compliance-Verstöße im Raum stehen? Und welchen Einfluss hat das auf unsere Unternehmensbewertung?

Einige Finanzdienstleister verstehen das stetig intensivierende regulatorische Umfeld jedoch als Chance und begreifen Compliance" als gewichtigen Treiber für die Unternehmensbewertung. Für Investoren werden Finanzdienstleister, die als compliant" gelten, nachhaltig attraktiv. In diesem Beitrag reflektieren die Unternehmensberater von AlixPartners den gestiegenen regulatorischen Druck und die Bedeutung für Finanzdienstleister. Im Fallbeispiel der Safeguard Trust Bank wird der Einfluss von Compliance auf den Unternehmenswert anschaulich betrachtet und mit einer aktuellen Umfrage von AlixPartners unterlegt.

Die Bedeutung von Compliance ist in der heutigen Zeit für Finanzdienstleister1höher denn je. Der Begriff Compliance" bezeichnet dabei die Einhaltung von gesetzlichen und regulatorischen Pflichten sowie die effektive Mitigierung von Risiken – beispielweise im Zusammenhang mit der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Compliant" zu sein hat jedoch auch einen wirtschaftlichen Einfluss auf Finanzdienstleister, der über die bloße Einhaltung von Vorgaben und die Risikomitigierung hinausgeht. Compliance wirkt sich auf den Unternehmenswert aus. Vor diesem Hintergrund sollte Compliance fester Bestandteil einer Unternehmensstrategie sein und kann bei einer Unternehmensbewertung zu einem wichtigen Einflussfaktor werden. Dies gilt insbesondere für Finanzdienstleister, die kurz vor einer Übernahme stehen.

Erhöhter Regulatorischer Druck

Dass die regulatorischen Anforderungen an die Compliance von Finanzdienstleistern steigen, ist bekannt. Spätestens aber seit dem Antritt von Mark Branson als Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin") bekommen Finanzdienstleister vermehrt den Druck von Aufsichtsbehörden zu spüren. So erhöht neben der BaFin auch die Bundesbank ihre Anstrengungen zur Durchsetzung von regulatorischen Anforderungen.

In der Praxis zeigt sich der erhöhte Durchsetzungswille der Aufsicht unter anderem durch vermehrte sowie intensivere Sonderprüfungen, die Bestellung von externen Sonderprüfern oder die Verhängung von Geschäftsbeschränkungen. Mittelbar hat der derzeitige Durchsetzungswille der Aufsicht jedoch auch einen Einfluss auf die angewandten Standards weiterer Prüfparteien, wie beispielsweise der Jahresabschlussprüfer und der internen Revision. Nicht selten setzen insbesondere die externen Jahresabschlussprüfer einen Prüfstandard an die Compliance von Finanzdienstleistern an, der weit über das gesetzlich-regulatorische Mindestmaß hinausgeht.

Einfluss auf die Unternehmensbewertung

Infolgedessen bedeutet der erhöhte regulatorische Druck einen direkten Einfluss auf die Unternehmensbewertung von Finanzdienstleistern. Einerseits können Geschäftsbeschränkungen aufgrund mangelhafter Compliance-Vorkehrungen zu signifikanten Umsatzeinbußen führen. In der Vergangenheit hat insbesondere die BaFin bei schwerwiegenden regulatorischen Verstößen ihren Willen gezeigt, die Eröffnung von neuen Kundenbeziehungen zu limitieren oder die Durchführung von bestimmten Transaktionen zu unterbinden.

Andererseits haben auch die deutlich gestiegenen Kosten einen Einfluss auf die Unternehmensbewertung von Finanzdienstleistern. Die durchaus signifikanten Kosten für die Bestellung eines Sonderprüfers durch die Aufsicht aufgrund von Compliance-Verstößen wird regelmäßig den betroffenen Finanzdienstleistern auferlegt. Zusätzlich führen Sonderprüfungen zu einem erhöhten internen Arbeitsaufwand, welcher gegebenenfalls durch Zeitmitarbeiter oder den dauerhaften Aufbau von neuem Personal bewältigt werden. Zusätzlich entstehen Ausgaben für Anwälte und Berater, die den Finanzdienstleistern bei der Bewältigung von Sonderprüfungen unterstützen.

Strafzahlungen an die Aufsicht als weiterer Einflussfaktor

Nicht im Rechenbeispiel berücksichtigt ist ein weiterer signifikanter Einflussfaktor – Strafzahlungen an die Aufsichtsbehörden. Seit der Finanzkrise von 2007 bis 2008 wurden den Finanzinstituten aufgrund von Fehlverhalten Strafkosten in Höhe von mehr als 350 Milliarden USD bzw. 15 % des gesamten Eigenkapitals der Banken verhängt.

Während ein Großteil dieser Strafzahlungen im Zusammenhang mit der Vergabe von sogenannten Subprime-Krediten" steht, hat es in der jüngeren Vergangenheit einen vermehrten Anstieg der Strafzahlungen für Compliance-Verstöße gegeben,wie beispielweise für die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Steuerstraftaten und Sanktionsverstöße. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank hätten die Banken des Euroraums ohne derlei Compliance-Verstöße ihren Nettogewinn seit der Finanzkrise um ein Drittel erhöhen können.

Fallbeispiel – Einfluss von Compliance-Verstößen auf die Bewertung

Ein einfaches Rechenbeispiel der fiktiven Safeguard Trust Bank (STB") – einer renommierten internationalen Finanzgruppe – veranschaulicht den direkten Einfluss auf die Unternehmensbewertung.2

Ausgangssituation

In der Ausgangssituation erzielt die STB Einkünfte in Höhe von 10 Millionen EUR, beispielweise aus Kontoführungsgebühren und Zinserträgen. Demgegenüber stehen Kosten von 8 Millionen EUR für Gehälter, Systemlizenzen und sonstige Ausgaben. Es verbleibt ein Nettoerlös vor Steuern von 2 Millionen EUR. Ausgehend von einem Nettoerlös-Multiplikator als Grundlage für die Unternehmensbewertung der STB von 5x ergibt sich eine potentielle Unternehmensbewertung in Höhe von 10 Millionen EUR.

Auswirkungen des erhöhten regulatorischen Drucks

Trotz ihres erstklassigen Rufs für Stabilität und ethische Geschäftspraktiken sieht sich die STB mit zunehmenden Compliance-Herausforderungen konfrontiert. In den letzten Monaten sind mehrere Verdachtsfälle von nicht regelkonformen Handlungen innerhalb der Bank aufgetreten, was zu einer intensiven Prüfung durch Aufsichtsbehörden geführt hat.

Die Compliance-Probleme reichen von möglichen Verletzungen von Geldwäschepräventionsmaßnahmen, über die Nichteinhaltung von Datenschutz- und IT-Anforderungen bis hin zum Verdacht von Sanktionsumgehungen. Die Aufsicht hat bereits eine Vor-Ort-Prüfung der STB durchgeführt, und es haben sich diverse Compliance-Verstöße bestätigt. Dazu gehören mangelnde Überprüfung von Kundenidentitäten, unzureichende Überwachung verdächtiger Transaktionen und fehlende Dokumentation von Kundeninformationen.

Die Aufsicht hat daraufhin empfindliche Geldbußen ausgesprochen, die sich bereits auf die Reputation der STB ausgewirkt haben. Zusätzlich hat die Aufsicht aufgrund der genannten Mängel folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Eine Neugeschäftsbeschränkung in Verbindung mit Einschränkungen bei der Durchführung bestimmter Transaktionen.
  • Die Bestellung eines externen Sonderprüfers zur Sicherstellung der Umsetzung von Verbesserungen zur Bewältigung von Compliance-Verstößen

Praktisch bedeutet dies für die STB, dass die Bank für einen definierten Zeitraum nur begrenzt Neukunden annehmen darf. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass die STB ihre internen Kontrollen und Compliance-Verfahren (z.B. KYC-Verfahren) verbessert. Neben der Aufnahme von Neukunden ist auch die Durchführung von Transaktionen limitiert, um sicherzustellen, dass zukünftige Transaktionen den Compliance-Anforderungen entsprechen.

Einfluss auf die Unternehmensbewertung

Für unser Rechenbeispiel gehen wir davon aus, dass die Geschäftsbeschränkungen zu einer Reduktion der Einkünfte von 500 Tausend EUR führen. Zusätzlich bestellt die Aufsicht zur Überwachung der Verbesserung von Compliance-Vorkehrungen einen Sonderprüfer auf Kosten der STB. In Reaktion auf die Bewältigung der Sonderprüfsituation stellt die STB mehr Personal ein und engagiert Anwälte sowie Berater. Dafür fallen Kosten in Höhe von 500 Tausend EUR an. Der Nettoerlös vor Steuern sinkt somit auf 1 Millionen EUR. Gleichzeitig verringert sich der Multiplikator auf 4,5x aufgrund der gestiegenen Risikosituation für Investoren. Die Unternehmensbewertung in der Sonderprüfsituation hat sich somit von 10 Millionen EUR auf 4,5 Millionen EUR reduziert – Ein Buchwertverlust für die Anteilseigner derSTBin Höhe von. 5,5 Millionen EUR.

Bewältigung von Compliance-Verstößen und Steigerung der Bewertung

Die STB steht nun vor der Herausforderung, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die internen Compliance-Vorkehrungen zu verbessern. Die Dringlichkeit, mit der die STB handeln muss, liegt nicht nur in der Befriedigung des bestellten Sonderprüfers, sondern auch in der Wiederherstellung des Vertrauens von Kunden und Investoren.

Da sowohl die internen Ressourcen fehlen als auch der Umgang mit derartig kritischen Situationen völlig neu für die STB ist, engagiert die STB externe Berater zur Unterstützung. Die Berater empfehlen der STB die Umsetzung folgender wesentlicher Schritte zur Bewältigung der Herausforderungen:

Schritt 1: Kurzfristige und zielorientierte Verbesserung der derzeitigen Compliance-Maßnahmen (Repair"-Ansatz)

Kurzfristig und unmittelbar sollte die STB zunächst an den von der Aufsicht identifizierten Verstößen arbeiten (Repair-Ansatz"). Dabei ist eine Priorisierung nach Wichtigkeit, Dringlichkeit und dem zu erwartenden Umsetzungsaufwand ratsam. Beispielhaft könnte eine solche Priorisierung für die STB wie folgt in einer Matrix strukturiert werden:

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