Ist die Versetzungsanordnung des Arbeitgebers rechtswidrig, so steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch für die durch die betrieblich veranlasste Begründung eines Zweitwohnsitzes entstandenen finanziellen Nachteile zu. Soweit es dabei um die Erstattung von Kosten geht, die dem Arbeitnehmer durch die Benutzung seines privaten PKW entstanden sind, können die Gerichte bei der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Regelungen des JVEG über den Fahrtkostenersatz heranziehen.

BAG, Urteil vom 28.11.2019 – 8 AZR 125/18

Der Kläger hatte zunächst am Betriebssitz der Beklagten in Hessen gearbeitet. Ab November 2014 versetze ihn die Beklagte für mindestens 2 Jahre, ggf. auch länger" in ihre Niederlassung in Sachsen. Hiergegen erhob der Kläger Klage, kam allerdings der Versetzung nach. Im Mai 2016 erklärte das LAG die Versetzung für unwirksam. Gleichwohl arbeitete der Kläger in der Zeit von Juni bis September 2016 weisungsgemäß weiter in Sachsen.

Für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen nutzte er seinen privaten PKW. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Klage u. a. auf Ersatz der Fahrtkosten für die Monate Juni bis September 2016 in Anspruch genommen. Entsprechend den steuerrechtlichen Regelungen verlangte er für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld i. H. v. 0,30 EUR.

Das ArbG hat der Klage insoweit stattgegeben. Das LAG hat dem Kläger Reisekosten lediglich in Höhe der nach der Trennungsgeldverordnung (TGV) zu erstattenden Kosten für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nur für Heimfahrten alle zwei Wochen zugesprochen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Das BAG entschied wie bereits das LAG, dass der Kläger von der Beklagten aufgrund der unwirksamen Versetzung Schadenersatz verlangen könne.

Einen Aufwendungsersatzanspruch lehnen beide Gerichte ab. So begründete das LAG Hessen, dass es zu weitgehend wäre, aus § 670 BGB analog eine allgemeine Erstattungspflicht des Arbeitgebers für Fahrtkosten, die durch ein wöchentliches Pendeln entstehen, abzuleiten, wenn der Arbeitnehmer betriebsbedingt örtlich versetzt werde. Das wöchentliche Pendeln zum Erstwohnsitz liege primär im Interesse des Arbeitnehmers, nicht des Arbeitgebers. Sofern die Versetzung rechtmäßig sei und der Arbeitgeber keine Vorgaben in Bezug auf den Wohnort mache, könne die Annahme einer solchen Verpflichtung leicht zu einer unangemessenen finanziellen Überforderung des Arbeitgebers führen. 

Ein Anspruch ergebe sich aber aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzrechts, §§ 280 Abs. 1, 611 Abs. 1, 249, 251 Abs. 1 BGB.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten bestünde nach Auffassung des LAG Hessen in der unwirksamen Versetzung. Die Beklagte sei dem Kläger im Falle einer rechtswidrigen, unbilligen Weisung dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Sie habe ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt, indem sie den Kläger aufgrund einer rechtswidrigen Weisung in Sachsen einsetzte. Der Kläger habe, um der Weisung Folge zu leisten, Fahrten dorthin unternehmen müssen.

Ein Ersatzanspruch scheide hier nicht deshalb aus, weil der Kläger im Prinzip die Kosten für die Anreise zu seiner Arbeitsstelle zu tragen habe. Zwar trage der Arbeitnehmer grundsätzlich das Wegerisiko und müsse hierfür auch die Kosten tragen. Darum gehe es hier aber nicht. Es gehe nicht um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle, sondern um die Ersatzfähigkeit von Heimfahrten bei einem dienstlich bedingten Zweitwohnsitz.

Von einem Verschulden der Beklagten sei auszugehen. Sie hätte erkennen können, dass sie die Versetzung einem jüngeren Kollegen ebenso gut hätte zumuten können.

Daher könne der Kläger die Erstattung der Kosten verlangen, die ihm durch die Benutzung seines privaten Pkw für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen entstanden sind. Allerdings habe das LAG Hessen nach Auffassung des BAG mit der Heranziehung der Bestimmungen der TGV seiner Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt. Heranzuziehen seien vielmehr die Regelungen des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetzes (JVEG) über den Fahrtkostenersatz, wonach für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld in Höhe von 0,30 EUR zu zahlen ist. Eine Vorteilsausgleichung sei nicht veranlasst gewesen.

Praxistipp:

Die Entscheidung des BAG schafft Klarheit. Im Falle einer unwirksamen Versetzung können Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen. Die Ersatzpflicht umfasst neben den Kosten für einen Zweitwohnsitz auch die Kilometerpauschale für wöchentliche Heimfahrten.

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