Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub, wenn er ihm die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Zahlt der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt nicht vor Urlaubsantritt aus, ist die Urlaubserteilung des Arbeitgebers jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben in der Regel gesetzeskonform so zu verstehen (§ 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist.

BAG, Urteil vom 20.08.2019 – 9 AZR 468/18

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs aus dem Jahr 2017.

Die Klägerin hatte ihr Arbeitsverhältnis zum 31.05.2017 gekündigt. Mit Schreiben vom 02.05.2017 teilte ihr Arbeitgeber ihr mit, Wir werden Sie im Mai nicht planen. Stattdessen stellen wir Sie unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich frei. Den sich ergebenden Saldo Ihres Arbeitszeitkontos werden wir anschließend mit Ihrem Maigehalt verrechnen."

Die Klägerin war der Ansicht, dass ihr noch eine Urlaubsabgeltung für 10 Urlaubstage zusteht. Die Beklagte meinte hingegen, dass der Urlaub durch die oben zitierte Freistellungserklärung gewährt wurde.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision blieb ebenfalls erfolglos.

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte den Resturlaub der Klägerin erfüllt hat, indem sie ihr mit der Erklärung vom 02.05.2017 Urlaub erteilte. Ein Abgeltungsanspruch bestand daher nicht.

Gemäß § 1 BUrlG habe jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub im Kalenderjahr, was der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG entspricht. Der Arbeitgeber könne dem Arbeitnehmer im Anschluss an eine Kündigung nur wirksam Urlaub erteilen, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltlos zusage.

Eine auf Erfüllung des Urlaubsanspruchs gerichtete Erklärung des Arbeitgebers sei daher nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen müsse, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Anderenfalls sei nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken oder als Gläubiger der Arbeitsleitung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten wolle.

Hier habe die Beklagte eindeutig in der Erklärung erwähnt, dass die Freistellung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche erfolgen solle. Nicht erforderlich sei insoweit genau festzulegen, an welchen Tagen die Freistellung zu Urlaubszwecken erfolgen solle. Dies bleibe daher dem Arbeitnehmer überlassen.

Die Freistellung sei zudem unter der vorbehaltslosen Zusage erfolgt, an die Klägerin Urlaubsentgelt zu zahlen. Gewähre der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Erfüllung seiner gesetzlichen und vertraglichen Pflichten Urlaub, sei davon auszugehen, dass er wirklich Urlaub gewähren will. Dies setze voraus, dass dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs entsprechend dem arbeitsvertraglich nicht abdingbaren § 11 Abs. 2 BUrlG entweder sein Urlaubsentgelt ausgezahlt werde oder ein Anspruch auf Vergütung sicher sein müsse. Zahle der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Urlaubsentgelt nicht vor Urlaubsantritt aus, sei die Urlaubserteilung des Arbeitgebers jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben gesetzeskonform so zu verstehen (§ 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stelle, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet sei, sofern dem nicht konkrete Anhaltspunkte entgegenstehen.

Insbesondere aus der Mitteilung, einen etwaigen Saldo des Arbeitszeitkontos mit dem Maigehalt zu verrechnen, ergebe sich nichts Abweichendes. Selbst wenn der Arbeitgeber mit einer ihm zustehenden Forderung gegen die Forderung des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt aufrechne, fließe das Urlaubsentgelt dem Vermögen des Arbeitnehmers zu. Die Verrechnung führe nämlich dazu, dass die Verbindlichkeiten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber entsprechend dem aufgerechneten Betrag verringert seien. Im Übrigen sei die Erklärung des Arbeitgeber, Urlaubsentgelt unter bestimmten Voraussetzungen mit Gegenansprüchen verrechnen zu wollen, mangels anderweitiger Anhaltspunkte dahingehend auszulegen dass er die Aufrechnung unter Beachtung der gesetzlichen Aufrechnungsverbote (§§ 390 ff. BGB) vornehmen werde.

Praxistipp:

Das BAG bestätigt, dass eine Freistellung unter Anrechnung des Resturlaubs zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs zulässig ist. Eine vorherige Auszahlung des Urlaubsentgelts ist nicht erforderlich, stattdessen genügt auch die vorbehaltslose Zusage. Im bestehenden Arbeitsverhältnis sei eine solche Zusage quasi in der Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche mit erklärt, sofern keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich sind.

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