Einleitung

Die Schweiz hat am 1. Juni 2002 das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen. Dadurch dürfen EU- und Schweizer Staatsbürger innerhalb der EU und der Schweiz ihren Arbeits- und Aufenthaltsort frei wählen.

Zunächst wurde auf die vorgängige Kontrolle der Einhaltung der üblichen Arbeits- und Lohnbedingungen als Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung verzichtet. Allmählich wurde der Druck auf die einheimischen Arbeitskräfte und ihre Entlöhnung immer grösser, weshalb die flankierenden Massnahmen als Überwachungsmassnahmen eingeführt wurden. Das Gesetz über die entsandten Arbeitnehmenden (EntsG) bildet die rechtliche Grundlage der flankierenden Massnahmen. Dazu kommen auch die allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge und der Erlass von Normalarbeitsverträgen.

Das Ziel der flankierenden Massnahmen ist, den Schweizer Arbeitsmarkt umfassend zu überwachen, insbesondere um die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeits- und Lohnbedingungen bei Schweizer Arbeitgebern und Einsatzbetrieben zu gewährleisten. Alle entsandten Arbeitnehmenden sind vor Lohnunterbietung sowie vor Unterschreitung der in der Schweiz geltenden Arbeitsbedingungen zu schützen.

Die Vollzugsorgane - namentlich die paritätischen und die tripartiten Kommissionen – haben das SECO als Aufsichtsbehörde, welches die qualitativen und quantitativen Anforderungen der Kontrollorgangen festlegt. Die Vollzugsorgane werden gestützt auf die rechtliche Verpflichtung im Entsendegesetz zu 50% vom Kanton und 50% vom Bund bzw. SECO entschädigt. Die paritätischen Kommissionen erhalten eine Pauschale in der Höhe von 650 CHF für jede Kontrolle und werden mit einem Stundentarif von 100 CHF für Spezialkontrollen finanziert.

Das nationale Mindestziel der Kontrollen ist auf 35'000 im Jahr festgelegt. Die Kontrollen zwischen den verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmenden erfolgen risikobasiert, womit die Absicht reflektiert wird, vermehrt die entsandten Arbeitnehmenden zu kontrollieren, die aufgrund der Lohnschere zwischen der Schweiz und den EU/EFTA Ländern (bspw. Italien, Polen, etc.) am meisten betroffen sind. In der heutigen Praxis werden 30-50% aller entsandten Arbeitnehmenden und meldepflichtigen selbständigen Dienstleistungserbringer kontrolliert. Im Gegensatz dazu sind nur 3% bis 5% aller Schweizer Arbeitgeber im Visier der Kontrollen.

Laut letztem Bericht über die flankierenden Massnahmen vom Juni 2023 wurden im Zusammenhang mit den im Jahr 2022 durchgeführten Kontrollen 37'134 Unternehmen und 165'845 Personen unter die Lupe genommen. Das macht ca. 4% mehr Kontrollen als im Vorjahr. Vor allem Schweizer Arbeitgeber wurden um 14% mehr als im Vorjahr kontrolliert, wohingegen ca. 10% weniger Kontrollen bei Entsandten und Selbständigerwerbenden stattfanden.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Anstellungen bzw. Entsendungen in die Schweiz rechtskonform stattfinden.

Die nachfolgenden Aspekte stellen grundsätzliche Compliance-Hürden dar:

1. Arbeitsbewilligung (die wichtigsten Bewilligungsarten im Überblick)

1.1 Lokale Anstellung von Drittstaatsangehörigen

Drittstaatsangehörige mit lokalem Schweizer Arbeitsvertrag benötigen eine Arbeitsbewilligung von Tag 1 in der Schweiz. Diese wird nur erteilt, wenn es sich um einen Spezialisten handelt, dessen Anstellung ein wirtschaftliches oder wissenschaftliches Interesse für die Schweiz darstellt.

Ein Spezialist ist jemand, der ein Universitätsdiplom sowie mehrjährige Berufserfahrung im gleichen Gebiet seiner Spezialisierung nachweisen kann. Die Stelle muss vorab bis zu 3 Monate innerhalb der Schweiz (über RAV) und der EU/EFTA (über EURES) ausgeschrieben sein. Im Rahmen der Suchbemühungen muss der Arbeitgeber die Liste der Bewerber inklusive Begründung der Ablehnungen offenlegen. Der Arbeitgeber hat im Wesentlichen nachzuweisen, dass die einzustellende Person der bestqualifizierte Kandidat für die Stelle ist.

Der Arbeitgeber hat ferner die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsmarktbedingungen einzuhalten, weshalb der Schweizer Mindestlohn zu garantieren ist. Gesamtarbeitsvertraglich festgelegte Löhne werden durch die Vertragsparteien ausgehandelt und gelten als Mindestlöhne. Mangelt es an Gesamtarbeitsverträgen ist der Lohn zu zahlen, der mittels Lohnrechner auszurechnen ist. Als Alternative stehen die Lohnbücher oder die eigenen kantonalen Berechnungsplattformen zur Verfügung.

Der Stellen- und Berufswechsel ist in der Regel während der ersten zwei Jahre nicht möglich. Jede Änderung der Funktion, sei es in einer niedrigeren oder höheren Position, ist bewilligungs-pflichtig.

1.2. Entsendung von EU/EFTA Bürgern

In der Praxis ist es üblich, dass EU/EFTA Mitarbeiter zu einer Zweigniederlassung oder zu einem Kunden in die Schweiz entsendet werden. Im Falle einer Entsendung muss der Arbeitgeber ein Gesuch einreichen, dessen Gutheissung vor der Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen hat. Der Mitarbeiter muss in die Schweiz zuziehen, um sich anschliessend bei der am Wohnort in der Schweiz zuständigen Einwohnerkontrolle anzumelden.

Das Gesuch wird nur bewilligt, wenn die Kontingente für ein bestimmtes Quartal nicht ausgeschöpft sind. Der Schweizer Mindestlohn ist auch hier zu garantieren, wobei der Arbeitgeber im Ausland die Unterkunft-, Reise- und Verpflegungskosten zu tragen hat. Diese Entschädigungen dürfen nicht zum Bruttolohn hinzugezählt werden. Der Arbeitsgeber hat die Möglichkeit, entweder die effektiven Kosten zu übernehmen oder die durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) empfohlenen Pauschalbeträge in Schweizer Franken pro Tag wie folgt zu bezahlen:

Übernachtung inkl. Frühstück: CHF 150.00

Übernachtung ohne Frühstück: CHF 135.00

Frühstück: CHF 15.00

Mittagessen; Abendessen je CHF 20.00

Bei einer lokalen Anstellung von EU/EFTA Bürgern ist weder eine Arbeitsbewilligung nötig noch eine Zusatzvergütung geschuldet. Eine Anmeldung zur Wohnsitznahme bei der zuständigen Einwohnerkontrolle des Wohnsitzes ist für die Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung ausreichend.

1.3. Meldeverfahren vs. 120 Tagesbewilligung für Business Traveller

Ausländerinnen und Ausländer, die eine grenzüberschreitende Dienstleistung erbringen oder im Auftrag eines ausländischen Arbeitgebers vorübergehend (bis zu 90 Tage oder 120 Tage in einer 12-monatsperiode) in der Schweiz erwerbstätig sind, benötigen eine Bewilligung, wenn die Tätigkeit länger als 8 Tage innerhalb eines Kalenderjahres dauert.

Bis zu 8 Tagen ist eine Arbeitsbewilligung nicht notwendig (8-bewilligungsfreie Regel). Für Unternehmen mit Sitz in der EU/EFTA besteht die Möglichkeit, ihre Dienstleistungserbringer online bis zu 90 Tagen zu melden. Nicht-EU/EFTA Staatsangehörige, die bei einem Unternehmen mit Sitz in der EU/EFTA erwerbstätig sind, müssen einen Wohnsitz von mehr als 12 Monaten in einem EU/EFTA Mitgliedstaat vorweisen, damit sie online angemeldet werden dürfen. Eine ähnliche Regelung gilt für EU/EFTA Staatsbürger mit Wohnsitz in Grossbritannien.

Für alle Fälle ist der massgebende Lohn gemäss Lohnrechner (unteres Quartil „25 % verdienen weniger als“) einzuhalten. Zu beachten sind die Gesamtarbeitsverträge bei geschützten Berufen, wie beispielsweise bei Elektrikern, wo der Mindestlohn durchaus niedriger als bei der Berechnung über den Lohnrechner ausfallen könnte.

Muss aber der Mitarbeiter länger arbeiten, so kann eine 120 Tagesbewilligung beansprucht werden. Es ist ein zweistufiges Verfahren, wobei das Vorliegen eines Kontingents nicht vorausgesetzt ist. Allerding muss der Mitarbeiter ein Spezialist (Nachweis des Hochschulabschlusses sowie 2 bis 3 Jahre Berufserfahrung) sein und die Spesen sind durch den ausländischen Arbeitgeber zu tragen. Vorteilhaft ist die Tatsache, dass eine Wohnsitznahme nicht erforderlich ist, jedoch ist die Einschränkung der Höchstdauer von 90 Tagen innerhalb von einer 180-Tage-Periode im Schengen-Raum für Drittstaatsangehörige zu beachten. Diese Schengenregelung ist auch auf Reisen von britischen Staatsbürgern anwendbar.

2. Einhaltung der Mindestvorschriften über die Lohn- und Arbeitsbedingungen

Der Arbeitgeber im Ausland muss den entsandten Arbeitnehmenden mindestens die Arbeit- und Lohnbedingungen gewährleisten, die gemäss Bundesgesetz sowie allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR in den folgenden Bereichen vorgeschrieben sind:

  • Arbeits- und Ruhezeit
  • Mindestdauer der Ferien
  • Minimale Entlöhnung inklusive Zuschläge
  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
  • Schutz von Schwangeren, Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen
  • Gleichbehandlung von Frau und Mann

Bei Verstössen gegen das Schweizer Entsendegesetz können folgende Bussen oder Strafen auferlegt werden:

  • Staatliche Sanktionen (Administrativbussen bis CHF 30‘000, befristete Dienstleistungssperren von 1 bis 5 Jahren, Auferlegung der Kontrollkosten gegenüber fehlbaren Arbeitgebern),
  • Strafrechtliche Sanktionen (strafrechtliche Bussen bis CHF 1‘000‘000, Einziehung von Vermögenswerten, z.B. unrechtmässig erzielten Gewinnen)
  • Sanktionen aus allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen.

3. Dokumentationspflicht

Auf Verlangen der Behörde bei einer Arbeitsmarktkontrolle haben ausländische Dienstleistungserbringer den Kontrollorganen die folgenden Dokumente vorzuweisen:

  • Kopie der eingeholten Arbeitsbewilligung bzw. der Meldebestätigung bei einem Meldeverfahren
  • Die sozialversicherungsrechtliche Bescheinigung A1 bzw. das Certificate of Coverage
  • Kopie des Projektvertrags
  • Arbeitsrapporte über die geleisteten Arbeitsstunden inklusive Pausen
  • Lohnabrechnungen des Entsendezeitraums
  • Kopie der Arbeitsverträge inkl. allfällige Personalreglemente
  • Kopie der Berufsabschlussunterlagen (Zeugnisse, Atteste)
  • Auszahlungsbelege über die Entsendespesen inkl. Entsendungszulagen
  • Auszahlungsbelege über Urlaubs- -und Weihnachtsgeld
  • Belege über regelmässige Prämien, Gratifikationen oder Boni, falls diese in den letzten Jahren ausbezahlt wurden

Üblicherweise verlangt die Behörde, sämtliche Unterlagen in der kantonalen Amtssprache zu senden. Jedoch zeigt die Praxis, dass englische Unterlagen akzeptiert werden.

Eine Kooperation mit der Behörde sowie die Einhaltung der Fristen beim Antworten ist essenziell. Zuletzt reagierte ein Kunde aus Grossbritannien auf diverse Schreiben der Behörde wegen eines. möglichen Verstosses gegen das Entsendegesetz nicht. Nach ca. 7 Monaten Stille, hat die Behörde im Kanton Waadt eine einjährige Arbeitssperre für die spezifische Niederlassung verhängt.

Bei einem anderen Fall, in dem die Arbeitsrapporte fehlten, erhielt ein italienisches Unternehmen eine Busse in der Höhe von ca. 500 CHF für einen entsandten Mitarbeiter. Die höchsten Bussen werden jedoch eher bei einem Verstoss gegen die minimalen Lohnvorschriften erteilt. Die Busse berechnet sich je nach Lohnhöhe und Anzahl der entsandten Mitarbeiter.

Fazit

Zusammengefasst ergeben sich daraus im Grossen und Ganzen die folgenden Schritte, um rechtskonform zu sein:

  • Berechnung des äquivalenten, schweizerischen Mindestlohns und dessen Auszahlung gewährleisten
  • Meldung oder Arbeitsbewilligung vor Arbeitsbeginn einholen
  • Einholung des A1 bzw. Certificate of Coverage für alle entsandten Mitarbeiter
  • Mitteilung der Mitarbeiter bezüglich der maximalen Arbeitszeiten sowie Ruhezeiten in der Schweiz (Feiertage inklusive). Diese ergeben sich aus dem nationalen Arbeitsgesetz. Nota bene: geschützte Berufe benötigen zum Teil und je nach Kanton eine zusätzliche Arbeitsbewilligung für Samstage (Arbeitszeitbewilligung)

Sicherstellen, dass alle relevanten, in diesem Artikel erwähnten Unterlagen dokumentiert sind; insbesondere Arbeitsrapporte, Mel

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