Kritiker der Frauenquote warnen vor einer Flucht von der Börse und anderen Ausweichmanövern. Doch betroffen sind weniger als 100 Großunternehmen.

Seit Jahresanfang gilt auch in Österreich eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent für den Aufsichtsrat von Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten sowie börsennotierten Gesellschaften. Schon davor gab es heftige Diskussionen, ob eine Quotenregelung ein vernünftiger Schritt ist, um die geringe Präsenz von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Manche Kritiker sehen darin eine "Diskriminierung von börsennotierten Firmen", manche halten das Gesetz hingegen für zahnlos, weil es zu viele Schlupflöcher bietet und die Sanktionen nicht ausreichen.

Tatsächlich sind zur Durchsetzung der Frauenquote, die in Österreich auch als Männerquote ausgestaltet ist, keine Verwaltungsstrafen oder ähnliche Zwangsmittel vorgesehen. Auch wurde das deutsche Model nur eingeschränkt kopiert. So wurde das "Naming and Shaming" nicht übernommen.

Die dort eingeführten Berichts- und Veröffentlichungspflichten gelten in Österreich nur, wenn ohnedies bereits bestehende kapitalmarktrechtliche Transparenzpflichten greifen. Ebenso dürfen – anders als etwa in Spanien – weiterhin öffentliche Aufträge an solcher Art rechtsverletzende Unternehmen erteilt werden. Der dortige finanzielle Anreiz fehlt; die "Strafe" entspringt hierzulande somit nur dem Gesellschaftsrecht.

Dennoch sind Gesellschaften gut beraten, das Gebot bei der Nachbesetzung von frei werdenden Aufsichtsratsposten zu beachten. Die Sanktion einer Verletzung zeigt Zähne: "Eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats ... unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot ... ist nichtig", heißt es etwa für Aktiengesellschaften im § 86 Abs. 8 Aktiengesetz.

Eine widersprechende Wahl oder Entsendung führt dazu, dass die in Aussicht genommene Person das Mandat nicht übernehmen kann und der Aufsichtsratssessel bis zur Nachbesetzung unbesetzt bleibt – die "Sanktion des leeren Stuhls". Unter Umständen können dann wichtige Entscheidungen nicht wirksam gefasst werden.

Ungemach fürs Management

Für das Management bedeutet eine Fehlbesetzung Ungemach: Vorstand und Aufsichtsratsvorsitzender sind verpflichtet, die Nichtigkeit der Bestellung geltend zu machen. Der Vorstand hat auf eine baldige ordnungsgemäße Zusammensetzung hinzuwirken und notfalls das Gericht anzurufen, damit dieses das fehlende (weibliche) Mitglied ersetzt.

Verletzt der Vorstand diese Sorgfaltspflichten, könnten ihn Schadensersatzpflichten treffen. Steht etwa eine wichtige Entscheidung für das Unternehmen an, etwa eine einmalige Chance auf Übernahme eines Mitbewerbers oder auf Ankauf einer wichtigen Liegenschaft, die nicht wirksam durch den Aufsichtsrat genehmigt werden kann, drohen große finanzielle Schäden und damit auch Millionenforderungen an das säumige Management. Dieses Risiko ist de facto die schärfste Waffe des Gesetzes.

Die Sorge die Haftpflicht betreffend könnte durch Flucht in Schlupflöcher reduziert werden. Kritiker warnen vor einer Flucht von der Börse, andere fürchten, dass Unternehmen ihre Belegschaft reduzieren werden, um unter die Schwelle von tausend Mitarbeitern zu sinken. Realistisch scheint das nicht, denn das Gesetz eröffnet etliche, bequemere Alternativen.

Gesetzeslücken und Ausweichmanöver

Erstens ist die Quotenregelung nur dann anzuwenden, wenn der Aufsichtsrat mindestens sechsköpfig ist und drei Arbeitnehmervertreter entsandt sind. Mit einer Reduktion auf ein fünf Mann starkes Gremium schlüpft die Gesellschaft in die Gesetzeslücke.

Zweitens muss die Belegschaft zu mehr als 20 Prozent aus Arbeitnehmerinnen bestehen, damit die Quote zieht. Für Hardliner wäre die systematische Reduktion des Frauenanteils unter diese Schwelle ein gangbarer Weg. Aber auch mit solchen Ausweichmanövern ist kaum zu rechnen. Ersten Schätzungen zufolge trifft das Gesetz nur unter 100 österreichische Unternehmen, darunter die größten und bekanntesten Gesellschaften des Landes, die eine Führungs- und Vorreiterrolle in Compliance einnehmen. Ist diesen Topunternehmen tatsächlich zuzutrauen, dass sie ihre Unternehmensstrategie auf Fliehen in Schlupflöcher ausrichten, statt ihren Aufsichtsrat mit kompetenten Expertinnen zu beschicken?

Es geht um 50 Positionen

Gibt es in Österreich genügend kompetente Expertinnen? Stimmen wurden laut, die vor dem Phänomen der Goldröcke warnen, also wenigen Frauen, die Aufsichtsratsmandate wie Schuhe sammeln. In Norwegen ist eine starre Quotenregelung von 40 Prozent schon seit 2008 in Kraft; 70 Managerinnen teilen sich rund 300 Posten.

In Österreich muss es Goldröcke nicht geben. Wegen des eingeschränkten Anwendungsbereichs sind hier nur etwas mehr als 50 Positionen neu zu bekleiden. Österreich verfügt über deutlich mehr als fünfzig talentierte, hervorragende Geschäftsfrauen. Für sie ist in der österreichischen Unternehmenswelt noch viel Platz.

Der Frauenanteil in Führungspositionen in den 200 umsatzstärksten Unternehmen wird auch 2018 unter zehn Prozent liegen. Laut dem Frauen-Management-Report der Arbeiterkammer Wien lag der Anteil 2016 und 2017 bei 7,2 Prozent.

Auch bei Rechtsanwälten ist die Lücke auffällig groß: Bei 50 Prozent weiblichen Berufsanwärterinnen beträgt der Anteil von Frauen, die die Zulassung erreichen, etwa 21 Prozent. Bei Partnern mit Gesellschafterstellung in den größten Kanzleien sinkt der Frauenanteil unter zehn Prozent. Heißt das, dass die talentierten, gut ausgebildeten Juristinnen mit mehreren Jahren Berufserfahrung beim Anstoßen an der gläserne Decke – schlagartig – ihre Fähigkeiten verlieren und für Aufsichtsratsmandate ungeeignet werden?

Jene Frauen sind oft durch besondere Kompetenz ausgezeichnet, denn sonst hätten sie es kaum bis zur gläsernen Decke geschafft. Weibliches Talent wird leichter übergangen. Wer in diesem Pool qualifizierter und aufstrebender Fachkräfte fischt, wird erstaunt sein, wie viel Positives Diversifikation im Aufsichtsrat (und im Vorstand) bringen kann – auch Wettbewerbsvorteile, denn Auftraggeber fragen zunehmend danach. Dieser internationale Trend zu mehr Diversität ist ähnlich wie jener zu Compliance nicht aufzuhalten. Bei aller Kritik an Quotenregelungen liegt die neue Gesetzeslage ganz klar im Trend. Sie sollte mehr als nur ein Denkanstoß sein.

derstandard

Originally published February 19, 2018

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