Noch in den Endzügen der letzten EU-Legislaturperiode wurde ein Gesetzespaket verabschiedet, das Marken-Lebensmittel mit unterschiedlichen Zusammensetzungen unter identischem Markenauftritt in der EU verbieten soll. Dieses Dual Food Quality-Verbot" wird in der Praxis zu Rechtsunsicherheit für Hersteller und Händler führen.

Seit mehreren Jahren wird auf europäischer Ebene intensiv über das Phänomen von Lebensmitteln von zweierlei Qualität debattiert (Dual Food Quality). Dahinter steht der Vorwurf, dass – insbesondere in Osteuropa – Markenprodukte eine schlechtere Qualität und eine andere Zusammensetzung hätten als ihre westeuropäischen Äquivalente.

Einen solchen Ost-West-Unterschied konnte die im Juni 2019 veröffentliche Studie der EU‑Kommission mit 1.380 Proben von 128 verschiedenen Lebensmittelprodukten aus 19 EU‑Staaten allerdings nicht belegen. Lediglich bei 9% der verglichenen Produkte wurde eine unterschiedliche Zusammensetzung bei jeweils gleichartig aussehender Verpackungsvorderseite festgestellt. Die Fälle von unterschiedlichen Zusammensetzungen waren quer durch Europa gestreut. Zudem hält die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission fest, dass die festgestellten Unterschiede in der Zusammensetzung der geprüften Produkte nicht zwangsläufig einen Unterschied in der Produktqualität bedeuten müssen.

Die nun veröffentlichten Daten belegen zwar kein (bedeutsames) praktisches Problem, das Verbot wurde aber bereits soweit verabschiedet, dass die Ergebnisse keine Auswirkung mehr haben. Die Richtlinie über unfaire Geschäftspraktiken wird ergänzt um das Verbot derselben Vermarktung eines Produkts mit unterschiedlicher Zusammensetzung in mehreren EU-Staaten. Rechtfertigungsgründe sind legitime und objektive Faktoren" (wie z.B. aus Gesundheitsgründen), die immer einer Einzelfallprüfung standhalten müssen.

Aus Sicht der Praxis sind mehrere Aspekte hochproblematisch. Zum einem besteht hohe Rechtsunsicherheit, weil völlig unklar bleibt, was unter wesentlichen Unterschieden in der Zusammensetzung zu verstehen ist. Oft werden Marken-und Eigenmarkenprodukte lokal produziert und die Zusammensetzung variiert geringfügig je nach Rohstoffverfügbarkeit und Saison. Fraglich bleibt auch, inwiefern regionale Verbraucherpräferenzen als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden können.

So ist es durchaus denkbar, dass Bewohner eines Staates tendenziell bitterere Schokolade bevorzugen als die eines anderen Staates.

Die nächste Frage ist: Wann wird ein Produkt identisch" vermarktet? Genügt schon die ausschließliche Kennzeichnung in der jeweiligen Landessprache, um das Produkt nicht als identisch zu vermarkten? Es kann auch sein, dass bereits das Logo des Herstellers oder Händlers auf identisches" Marketing hinweist. Hinzu kommt, dass der EU-Gesetzgeber die Form einer Richtlinie gewählt hat, was den Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum bei der nationalen Implementierung einräumt.

Ins Gewicht fallen auch die immensen Strafdrohungen. Die Bestimmungen zur Dual Food Quality" sind Teil eines Gesetzespaketes betreffend Verbraucherrechte, wobei im Nachgang des Dieselgate-Skandals massive Strafsätze eingeführt werden. Möglich sind Geldbußen von bis zu 4% des Jahresumsatzes des Unternehmens in den betreffenden Mitgliedstaaten bzw. bis zu EUR 2 Mio., wenn der Umsatz nicht feststellbar sein sollte.

Das Dual Food Quality"-Verbot weist für die Marktteilnehmer in der Lebensmittellieferkette daher einen hohen Grad an Komplexität auf. Die EU-Kommission hat zwar angekündigt, einen Leitfaden zu erarbeiten; es sind aber auch die nationalen Gesetzgeber bei Umsetzung der Richtlinie sowie die nationalen Behörden gefordert, die Komplexität zu reduzieren, damit Verbraucher vom Dual Food Quality"-Verbot auch tatsächlich profitieren und nicht nur Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Unternehmen eintritt.

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