Selten hat eine Gesetzesänderung für so viel politischen Wirbel gesorgt wie die Neuregelung der Arbeitszeit (BGBl. 53/2018). Auch wenn der Aufschrei bei den Kritikern groß war, sind die mit 1.9.2018 in Kraft getretenen punktuellen Änderungen doch als moderat zu bezeichnen. Die neuen Regeln bieten höhere Flexibilität bei geringerem Strafbarkeitsrisiko.

Zunächst ist ein wesentlicher Aspekt voranzustellen, der in der öffentlichen Diskussion weitgehend untergegangen ist: Weder werden in Zukunft Arbeitnehmer jeden Tag 12 Stunden arbeiten müssen noch wird vom 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit abgerückt. Wie bisher darf gemäß § 3 Abs 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) auch in Zukunft die tägliche Normalarbeitszeit 8 Stunden und die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten. An den kollektivvertraglichen Regelungen der Normalarbeitszeit, die nicht selten eine Verkürzung auf 38,5 oder sogar 38 Stunden vorsehen, wird ebenfalls nicht gerüttelt.

Nach dem relativ starren Grundkonzept des AZG stellt jede über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung Überstundenarbeit dar. Überstunden sind mit Zuschlägen von 50 % oder bei entsprechender Regelung im Kollektivvertrag auch mit höheren Zuschlägen abzugelten, und zwar entweder in Geld oder durch Zeitausgleich. Auch daran hat sich nichts geändert.

Das AZG enthielt schon bisher verschiedene Möglichkeiten für flexiblere Arbeitszeitmodelle. Soll zum Beispiel ein verlängertes Wochenende eingearbeitet werden (kurzer Freitag"), darf an einzelnen Tagen bis zu 9 Stunden gearbeitet werden, ohne dass hierfür Überstundenzuschläge bezahlt werden müssen; bis zu 10 Stunden täglich sind bei Einführung einer 4-Tage-Woche möglich. Bei bestimmten Durchrechnungsmodellen oder Gleitzeitvereinbarungen sind (zuschlagsfreie) Arbeitszeiten von bis zu 10 Stunden täglich und mehr als 40 Stunden pro Woche zulässig, sofern im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschritten wird.

Arbeiten von mehr als 10 Stunden täglich waren bisher jedoch nur in den gesetzlich definierten Ausnahmefällen oder Notsituationen zulässig, was Arbeitgeber oft vor Probleme gestellt hat. Im Falle einer unzulässigen Überschreitung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeithöchstgrenzen drohten nämlich empfindliche Verwaltungsstrafen, selbst wenn Arbeitnehmer freiwillig länger arbeiten wollten.

Entkriminalisierung durch Anhebung der Höchstgrenzen

Durch die Neuregelung erfolgt zunächst insofern eine Entkriminalisierung, als die zulässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit auf täglich 12 und wöchentlich 60 Stunden erhöht werden. Arbeitgeber riskieren daher keine Verwaltungsstrafen mehr, sollte längeres Arbeiten notwendig sein. Wöchentlich dürfen jedoch nicht mehr als 20 Überstunden geleistet werden; außerdem darf aufgrund der EU-Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG) selbst bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten.

Ablehnungsrecht ohne Angabe von Gründen

Die Neuregelung bedeutet aber nicht, dass Arbeitnehmer in jedem Fall gezwungen sind, auf Anweisung des Arbeitgebers bis zu 12 Stunden zu arbeiten. Gemäß § 7 Abs 6 AZG steht es Arbeitnehmern frei, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Arbeitnehmer dürfen wegen einer solchen Ablehnung auch nicht benachteiligt werden; eine vom Arbeitgeber dennoch ausgesprochene Kündigung kann innerhalb von zwei Wochen bei Gericht angefochten werden. Damit wurde Arbeitnehmern ein wirksamer Rechtsbehelf in die Hand gegeben, um die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages rechtlich abzusichern.

Wahlrecht für Arbeitnehmer

Eine weitere Absicherung erhalten Arbeitnehmer durch den neu eingeführten § 10 Abs 4 AZG: Für Überstunden, durch die die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, können Arbeitnehmer selbst bestimmen, ob die Abgeltung in Geld oder durch Zeitausgleich erfolgt.

Höhere Flexibilität bei Gleitzeit

Eine sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber positive Flexibilisierung bringt die unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit bei Gleitzeitmodellen auf 12 Stunden. Gleitzeit bedeutet, dass Arbeitnehmer innerhalb bestimmter Grenzen Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen können. Aufgrund dieser Zeitsouveränität können sie also an einzelnen Tagen länger, dafür an anderen Tagen kürzer arbeiten. Innerhalb der Gleitzeitperiode darf freilich die wöchentliche Normalarbeitszeit im Durchschnitt nicht überschritten werden.

Nach der Neuregelung des § 4b AZG darf bei der Gleitzeit die Normalarbeitszeit weiterhin 10 Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden ist aber zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Klargestellt wurde außerdem, dass angeordnete Arbeitsstunden, die über die Normalarbeitszeit von 8 Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich hinausgehen, jedenfalls als Überstunden gelten. Somit ist auch bei Gleitzeitmodellen – entgegen den Behauptungen mancher Kritiker – gesetzlich sichergestellt, dass ein (zuschlagsfreies) Arbeiten an 12 Stunden pro Tag ausschließlich bei selbstbestimmter Einteilung durch den Arbeitnehmer zulässig ist.

Neue Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz

Vom Geltungsbereich des AZG ausgenommen sind nunmehr auch bestimmte Familienangehörige sowie leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist". Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass deren gesamte Arbeitszeit auf Grund der besonderen Merkmale der Tätigkeit entweder nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von diesen Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Ausnahmebestimmungen in der Praxis Auslegungsschwierigkeiten bereiten werden.

Änderungen im Arbeitsruhegesetz (ARG)

Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe sind derzeit – neben den im Gesetz geregelten außergewöhnlichen Fällen – nur aufgrund von Verordnungen oder Kollektivverträgen möglich und haben daher in der Praxis eine sehr lange Vorlaufzeit. Um Betrieben eine kurzfristige Reaktion auf einen vorübergehend auftretenden Arbeitsbedarf zu ermöglichen, können nach dem neuen § 12b ARG Ausnahmen auch durch Betriebsvereinbarung an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Arbeitnehmer und Jahr zugelassen werden. In Betrieben ohne Betriebsrat sind auch Einzelvereinbarungen möglich, jedoch können Arbeitnehmer solche Wochenend-und Feiertagsarbeit grundlos ablehnen.

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